Der Weltkonzern prägte die Autogeschichte und das deutsche Wirtschaftswunder. Doch die erfolgreiche Vergangenheit kann nicht länger fortgeschrieben werden
Unter 20.000 Euro soll er kosten und spätestens 2027 auf den Markt kommen: Der ultimative Elektro-Volkswagen, der für alle erschwinglich ist und die wachsende China-Konkurrenz das Fürchten lehrt. Viel zu spät, sagen Autoexperten und sehen im verschlafenen E-Auto-Einstieg einen der Hauptgründe für den aktuellen Niedergang des deutschen Autokonzerns. Dieser steckt in der tiefsten Krise seiner Firmengeschichte und bereitet harte Einschnitte vor.
Erstmals sollen Werke in Deutschland für immer zusperren, Tausende Arbeitsplätze abgebaut und die Lohnkosten massiv gesenkt werden. Die deutsche Autoikone könne ihre erfolgreiche Vergangenheit nicht länger fortschreiben und müsse sich schlicht neu erfinden, mahnen Beobachter.
Erfahren Sie im folgenden Artikel samt großerInfografik,
wie die Geschichte von Volkswagen begann
wie das Unternehmen zum Weltkonzern aufstieg
wie es nach dem Dieselskandal bergab ging und
wie die Zukunftspläne aussehen
Es begann elektrisch
Das Elektroauto muss jedenfalls nicht neu erfunden werden. Denn die Historie von VW beginnt elektrisch. Schon 1898 konstruierte ein gewissen Ferdinand Porsche den Egger-Lohner-C.2 Phaeton, der von einem Elektromotor angetrieben wurde. Immerhin 25 km/h schnell war der Star der Pariser Weltausstellung 1900. Der Lohner-Porsche war jedoch mit zwei Tonnen viel zu schwer und seine geringe Reichweite frustrierte die Autofreaks rasch.
Die Autogeschichte entwickelte sich daher in eine andere Richtung und war wie heute geprägt von weltpolitischen Ereignissen. Ein erschwingliches Alltagsauto, von den Nazis als „Volksauto“ gefordert, gelang mit dem VW Käfer, der sich perfekt für die Massenfertigung eignete. Für manch Autohistoriker gilt der Ingenieur Josef Ganz als Erfinder des Käfers. Ganz wurde jedoch als Jude verfolgt und flüchtete in die Schweiz.
Der „Kugel-Porsche“ wurde nach dem Krieg rasch zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders, das dank einer starken Autoindustrie für Vollbeschäftigung sorgte.
Mit immer neuen Modellen, Übernahmen und Expansionen stieg VW neben Toyota zum größten Autobauer der Welt auf. Heute gehören zehn Automarken zum Konzern. Es werden weltweit rund 670.000 Menschen beschäftigt, 120.000 davon in Deutschland.
Vertrauensverlust und Abstieg
Der Niedergang des Autoriesen lässt sich nicht trennen vom schmutzigsten Kapitel in der Geschichte des Unternehmens und in der Geschichte der deutschen Autoindustrie überhaupt – dem Dieselskandal, der im September 2015 in den USA aufflog. VW baute in seine Fahrzeuge eine Abschalteinrichtung – später „Schummelsoftware“ genannt – ein, mit der Abgastests ausgetrickst werden konnten. Am Prüfstand war das Auto dann weniger schmutzig als auf der Straße.
Weltweit waren davon mehr als 10 Millionen Autos betroffen, allein in Deutschland 2,5 Millionen. Volkswagen kamen die Manipulationen teuer zu stehen. Die Kosten für jahrelange Rechtsstreitigkeiten und Entschädigungen beliefen sich bis Ende 2021 bereits auf mehr als 32 Milliarden Euro. Noch schlimmer: Das Vertrauen in die Marke war schwer erschüttert – vor allem in den so wichtigen Auslandsmärkten. Und bei vielen Konsumenten bis heute. Nach dem Skandal führten viele Städte Dieselfahrverbote ein, und der Ausstieg aus den Verbrenner-Motoren beschleunigte sich.
Auch wenn die neue E-Fahrzeugflotte Startschwierigkeiten hat und sich der Konzern einer Rosskur unterziehen muss: Am Papier sind die Weichen für eine grüne und wirtschaftlich nachhaltige Zukunft schon gestellt. Bis 2030 sollen 75 vollelektrische Modelle auf den Markt kommen, darunter der erwähnte Elektro-Volkswagen für die breite Masse.
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