Konzernboss Geyer: Der Politiker-Sammler
Kein Konzernchef in Österreich sammelte so viele ehemalige Spitzenpolitiker ein wie Günther Geyer, Ex-Konzernboss der Vienna Insurance Group (VIG). Zuletzt hat Ex-ÖVP-Minister Hartwig Löger als strategischer Berater angeheuert. Bereits an Bord sind: Ex-Bundeskanzler Werner Faymann als Berater, Ex-Minister Josef Ostermayer ist Chef der VIG-Tochter Sozialbau, Ex-Staatssekretärin Sonja Steßl, ebenfalls SPÖ, ist im Vorstand der Tochter Wiener Städtische.
KURIER: Ist der VIG-Konzern ein Versorgungsinstitut für Ex-Politiker?
Günter Geyer: Wenn in Österreich jemand von der Wirtschaft in die Politik geht, wird das sehr kritisch interpretiert. Noch stärker kritisiert wird, wenn jemand aus der Politik ausscheidet und andere Tätigkeiten machen will. In nahezu allen anderen Ländern sind Unternehmen daran interessiert, die Erfahrungen und die Netzwerke, die ein Politiker aufgebaut hat, für das Unternehmen einzusetzen – sofern es zum Vorteil des Unternehmens ist. In Österreich heißt es dagegen oft, das sei ein Versorgungsjob.
So abwegig ist diese Kritik oft nicht.
Diese Meinung vertrete ich nicht. Denn Politiker haben fast immer eine hohe Medienerfahrung, sind verhandlungssicher, stressresistent, haben Führungserfahrung, sind meist auch sehr gut vernetzt und haben Kontakte, die für ein Unternehmen sinnvoll sind. Da von Versorgungsjobs zu reden, halte ich für nicht angebracht, damit wird auch die frühere Tätigkeit als Politiker abgewertet und herabgewürdigt.
Aber macht es nicht einen großen Unterschied, ob man ein Ministerium leitet oder operativ ein großes Unternehmen?
Die Verantwortung ist mindestens gleich groß. Die Erfahrung, die ein Politiker im Verwaltungsbereich und im gesetzgeberischen Bereich hat, erfordert Fachwissen, Verhandlungskompetenz und Zielstrebigkeit. Alles Themen, die man in der Privatwirtschaft auch braucht. Mir fallen Dr. Taus und Dr. Androsch ein. Beide haben beispielgebend gezeigt, wie man Unternehmen aufbauen und führen kann. Oder als Manager Wilhelm Molterer und Ex-Bundeskanzler Viktor Klima. Für unsere Gruppe war und ist mein klarer Grundsatz: Es zählen Erfahrung, Fähigkeiten und Know-how im Interesse des Unternehmens und nicht die politische Zugehörigkeit.
Die Wiener Städtische galt selbst immer als SPÖ-nahes Unternehmen.
Zum besseren Verständnis: Die Wiener Städtische wurde 1824 vorwiegend von Bürgern und Repräsentanten der katholischen Kirche gegründet. 1898 hatte der damalige christlich-soziale Bürgermeister Lueger mit der Gemeinde zum Wohl der Wiener Bürger eine Lebensversicherung beschlossen, seit damals war der Wiener Bürgermeister kraft Satzung Aufsichtsratsvorsitzender. Helmut Zilk beendete dieses Verhältnis 2001. Seitdem übt die Stadt Wien keine Funktionen mehr aus, wird aber behandelt wie jeder andere Großkunde. Ich erinnere mich noch gut, als wir den Kooperationsvertrag mit der Erste Bank unterschrieben, damals monierten Kritiker, die Wiener Städtische habe sich an die ÖVP verkauft.
Aber Sie haben eine Häufung von Ex-SPÖ-Politikern.
Ich kann dem nicht zustimmen. Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen einer sozialen, demokratischen Einstellung und Parteipolitik. Unsere Manager zeichnen sich durch hervorragende Fähigkeiten aus. Nehmen sie die VIG-Generaldirektorin Prof. Stadler (wird der ÖVP zugerechnet, Anm.). Sie ist eine herausragende Managerin, ich bin froh, dass sie den Konzern so gut führt. Wem sie in der Wahlurne ihre Stimme gibt, geht mich nichts an.
Was erwarten Sie von Ex-Finanzminister Löger?
Wir waren vor 20 Jahren gemeinsam in der Donau Versicherung. Er bekam dann ein Jobangebot der UNIQA, die er gut geführt hat, und seine Performance als Finanzminister war ebenfalls gut. Er hat ein sehr umfangreiches Versicherungs-Know-how und ist bestens vernetzt. Warum soll er nicht als Versicherungs-Fachmann für uns tätig sein, wir haben ja Bedarf. Unseren osteuropäischen Kunden ist es so was von egal, wie sich jemand in Wien in einer Wahlzelle entscheidet.
Sie haben einmal kritisiert, dass die Leute vor Politikern buckeln und nachher schlecht über sie reden.Politiker und Wirtschafts-Spitzenleute sollten sich bewusst sein, dass ihre Funktion zeitlich begrenzt ist. Sie werden oft hofiert, nur weil sie diese Funktion ausüben und seltener, weil sie jemandem als Mensch wichtig wären. Es ist noch viel schwieriger, wenn jemand aus der Wirtschaft in die Politik geht. Die Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit ist in diesen Fällen öfters mit einem Einkommensverlust verbunden. Das gehört auch anerkannt.
In Deutschland sollen verpflichtende Cool-off-Pausen nach politischen Mandaten mögliche Interessenskollisionen verhindern. Wäre das nicht auch in Österreich sinnvoll?
Es wäre gut, wenn wir eine Regelung finden. Aber oft habe ich den Eindruck, vielen wäre es am liebsten, Politiker würden sich beim AMS anstellen.
Was sagen Sie zum Regierungsprogramm?
Ich finde es beispielgebend, dass man nicht den kleinsten Kompromiss sucht, sondern gemeinsam etwas Neues versucht. Wichtig ist, dass man die Schritte der Bevölkerung nahe bringen kann. Ich finde es auch gut, mit der Senkung der Steuerquote bei den niedrigen Einkommen zu beginnen. Dass das Bundesheer zumindest eine Nachrüstung braucht, um die wichtigsten Aufgaben zu erfüllen, ist auch notwendig. Überstrapaziert wird die Diskussion über die Sicherungshaft. Es ist auch klar, dass Integration eines der wichtigsten Themen ist. Zudem ist es begrüßenswert, dass es ein Bekenntnis für die private Altersvorsorge gibt und die Finanzierung der Pflege endlich jenen Stellenwert bekommt, den sie verdient.
Ganz ein anderes Thema. Die VIG-Tochter Donau hat mit dem Verkauf ihres Anteils an den Casinos Austria das Einfallstor für die Sazka-Group geöffnet. Warum haben Sie nicht an österreichische Interessenten verkauft?
Ich war damals Aufsichtsratsvorsitzender der Donau und Andreas Treichl der Stellvertreter. Die Donau wollte verkaufen und hat sich um eine österreichische Lösung intensiv bemüht. Ich habe vom damaligen Finanzminister aber keinen diesbezüglichen Wunsch gehört. Es gab mehrere österreichische Interessenten, doch trotz einer Fristverlängerung kam niemand auch nur in die Nähe des Sazka-Angebots. Wäre von Ministerseite ein deutlicher Wunsch gekommen, dass die Republik interessiert ist, dass wir nicht verkaufen, hätten wir vielleicht später verkauft. Aber die Republik hat kein Interesse gezeigt.
Der Oberösterreicher und Jurist Günter Geyer, 76, startete 1974 in der Wiener Städtischen und legte dort eine konstante Karriere hin. Bis 2012 war er Vorstandsvorsitzender der Konzernholding, derzeit ist er Aufsichtsratsvorsitzender und noch bis Jahresende Vorstandschef des Haupteigentümers Wr. Städtische Versicherungsverein. Der börsenotierte Konzern ist Österreichs größte Versicherungsgruppe, hat 25.000 Mitarbeiter, ist in 25 Ländern aktiv und erwartet für 2019 knapp zehn Prämienmilliarden und rund 500 Millionen Gewinn.
Wie soll es jetzt bei den Casinos weitergehen?
Es wäre zweckmäßig, wenn die Republik und Sazka eine vernünftige Syndikatsvereinbarung schließen, im Interesse des Landes, des Unternehmens und der Mitarbeiter. Mit dem Ziel, den Unternehmensschwerpunkt in Österreich zu behalten. Die Republik sollte ihren Drittelanteil auf 25,1 Prozent reduzieren, mehr braucht man für eine Sperrminorität nicht und Sazka ist ausschließlich an den Geschäftsergebnissen interessiert. Generaldirektorin Glatz-Kremsner macht einen Super-Job und wäre die Garantin für die erfolgreiche Umsetzung.
Sie übergeben Ende 2020 das Zepter an Städtische-Chef Robert Lasshofer?
Ich werde als operativer Vorstandsvorsitzender des Vereins ausscheiden, dort soll mir Lasshofer nachfolgen, vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien. Davon unberührt sind meine Funktionen als Aufsichtsratsvorsitzender der VIG und der Wiener Städtischen.
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