Die krisengebeutelte deutsche Autoindustrie warnt etwa seit Wochen vor einem Handelskrieg mit Washington. Gelingen keine Deals mit Trump, dürften dann auch Österreichs Autozulieferer – immerhin 900 Betriebe mit 80.000 Jobs – zum Handkuss kommen.
Anders als absehbarerweise Trump hält sich die EU bisher an die Spielregeln der Welthandelsorganisation WTO in Genf. Doch die Organisation ist nur noch stark eingeschränkt funktionsfähig, wie WIFO-Expertin Elisabeth Christen erklärt. Sichtbar wird das etwa bei dem so wichtigen Streitbeilegungsmechanismus, den die USA blockieren.
Von Trump spontan und einseitig verkündete US-Zölle, vorbei an dem über Jahrzehnte gewachsenen Regelwerk, würden das WTO-System zusätzlich aushöhlen.
Christen sagt: „Die WTO ist sicherlich reformbedürftig, durch die Entscheidungsfindung im Konsens sind Reformen aber kaum möglich. Trump hat jetzt eine Art erpresserische Drohkulisse aufgebaut. Wenn aber jeder macht, was er will, herrscht irgendwann Wilder Westen.“
Exportabhängiges Europa
Zwar schneidet sich der künftige US-Präsident mit seinen Zöllen, die ja die Importe in die USA massiv verteuern, auch ins eigene Fleisch. Weil Europa aber viel stärker exportabhängig ist als die USA, muss vor allem die EU großes Interesse am Fortbestand einer fairen globalen Handelsordnung haben, sagt auch IHS-Chef Holger Bonin. „Eine Supermacht braucht keine Kompromisse zu machen. Für Trump ist Fairness ein Schimpfwort. Er hat für sich gewonnen, wenn der andere noch mehr verliert. Aber die EU muss als Gegenmodell auftreten und für faire Handelsregeln kämpfen.“ Nicht zuletzt müsse deshalb der EU-Binnenmarkt vollendet werden, sagt Bonin. „Durch Polarisierung und Nationalismus besteht die Gefahr, dass er in seine Einzelteile zerfällt.“
Zölle spalten
Es steht viel auf dem Spiel. Ein Zusammenbruch der WTO könnte die EU vier Mal härter treffen als die Zölle der USA, zeigt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Und Trump ist bekannt dafür, dass er von der UNO abwärts wenig hält von globalen Institutionen, die ihm „dreinreden“. Freilich hat auch Joe Biden Anti-China-Zölle aus Trumps erster Amtszeit beibehalten.
In früheren Jahren wurde auf Ebene der WTO oder zwischen Regierungen um Lösungen gerungen, bis ein Kompromiss erzielt war. In Erinnerung ist der ewige Subventionsstreit rund um Boeing und Airbus. Oder der Konflikt um US-Zölle auf Stahl samt EU-Ausgleichszöllen auf Harley Davidson. Beide Streitfälle wurden gelöst.
Blockbildung
Jetzt zerfällt die Welt zusehends in die aggressiver werdenden Blöcke USA und China mit einem geschwächten Europa in der Mitte und entsprechend verschieben sich die Handelsströme. Die US-Zölle sind da neben den geopolitischen Spannungen oder der Sorge um hohe Energiepreise aber nur ein weiterer Faktor, sagt eine Studie der Boston Consulting Group.
Fair spielen
Im Ergebnis dürften chinesische Unternehmen zur Umgehung der US-Zölle verstärkt nach Europa drängen und hier Auto- wie Stahlindustrie unter Druck bringen. China investiert aber auch massiv in Entwicklungsländern des globalen Südens. Umgekehrt dürfte der Handel der EU mit Afrika und Indien zulegen, aber auch jener mit den USA. Letzteres klingt paradox, liegt aber an den teuren Flüssiggas-Importen aus den USA als Ersatz für Gas-Importe aus Russland.
Bonin sagt mit Blick auf neue Handelspartner oder Abkommen wie Mercosur: „Europa muss sich jetzt mit dem kleiner werdenden Häufchen jener Staaten zusammen raufen, die fair spielen.“
Hintergrund: Die WTO
Die World Trade Organisation mit Sitz in Genf trat 1995 die Nachfolge des Allgemeinen
Zoll- und Handelsabkommens (GATT) an und regelt seither die Rahmenbedingungen des
internationalen Handels mit Waren, Dienstleistungen sowie geistigen Eigentumsrechten
Die WTO gehört neben dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zu den wichtigsten Wirtschaftsorganisationen. Sie soll für einen fairen Welthandel sorgen
166 Mitgliedsländer hat die WTO, darunter auch Österreich. Die frühere Finanzministerin
Nigerias, Ngozi Okonjo-Iweala (70), leitet die Organisation.
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