Strombranche sieht Energiewende in Gefahr
Die deutsche Regierung macht Tempo bei der Reform der Ökostromförderung: Mit Einschnitten bei Subventionen und einer Ausbaubremse will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Energiewende billiger machen. Bereits am Mittwoch soll das Kabinett Eckpunkte für ein verschärftes Erneuerbare-Energien-Gesetz beschließen, das ab August in Kraft treten soll, wie aus dem Konzept des SPD-Chefs hervorgeht.
In dem Papier, das der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende vorlag, wird den wichtigsten Branchen Wind, Solar und Biomasse ein jährlicher, maximaler Zubau zugeteilt, der gesetzlich verankert wird und deutlich unter den vergangenen Jahren liegt.
Windräder an der Küste sollen demnach zwischen 10 und 20 Prozent weniger Geld für Strom erhalten. Alle größeren Ökostromanlagen müssen zudem ihre Energie selbst verkaufen und in kommenden Jahren immer mehr Risiken bei der Vermarktung tragen. Insgesamt ist das Paket deutlich schärfer, als noch im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt (Details: siehe unten).
Branche in heller Aufregung
Die Ökostrombranche reagierte mit einem Proteststurm: "Die Energiewende droht ausgebremst zu werden", warnte die Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Sylivia Pilarsky-Grosch. Bleibe es bei den Vorschlägen, werde man für stürmische Zeiten im Regierungsviertel sorgen. Bereits im vergangenen November hatten Tausende gegen die Energiepläne im Koalitionsvertrag demonstriert (siehe Galerie).
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Die Solarbranche kritisierte, dass nun der Ausbau des Ökostroms nur noch professionellen Investoren überlassen bleiben: "Die Energiewende für Jedermann ist in Gefahr", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig.
Nachteile für die Kleinen
Diesen Kritikpunkt griff auch die Opposition auf: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bemängelte, die Beteiligung der Bürger, die die Energiewende getragen hätten, sei nun infrage gestellt. Die Linken nannten das Paket sozial und wirtschaftlich unausgewogen: Im Kern bedeuteten die Vorschläge, dass die Ökostrombranche Einschnitte hinnehmen müsse, aber "die Stromriesen sowie die privilegierte Industrie unangetastet bleiben", sagte Linken-Vize-Fraktionschefin Caren Lay. Gabriel mache eine Rolle rückwärts bei der Energiewende.
Gabriel: "Dynamik des Anstiegs endlich beenden"
Gabriel verteidigte im ZDF die Pläne gegen Kritik: Die Herausforderungen der Energiewende seien nicht zum Nulltarif zu bewältigen. Selbst diese Reformen hätten nur begrenzte Wirkung auf die Kosten: "Dass es fallende Strompreise gibt, das wird es nicht geben, sondern wir werden die Dynamik des Anstiegs endlich beenden."
In Gabriels Konzept ist vorgesehen, dass alle Betreiber von neuen Freiflächen-Solaranlagen und von Windrädern ihren Strom selbst vermarkten müssen. Bisher wurde dies von den Netzbetreibern übernommen. Ab 2017 gilt dies auch für kleinere Anlagen, abgesehen etwa von Solardächern auf Wohnhäusern. Dann soll aber auch die staatlich garantierte Abnahmegarantie zu festen Preisen fallen. Stattdessen gibt es einen vorher festgelegten Aufschlag auf den Börsenpreis. Sinkt dieser, trägt das Risiko der Betreiber.
Ein zu starker Zubau von Ökostrom-Kraftwerken soll ferner mit einer strikten Mengenbegrenzung verhindert werden: Jedes Jahr sollen maximal 2.500 Megawatt Windenergie an Land sowie 2.500 Megawatt Solarleistung neu installiert werden. Wird in einem Jahr dennoch mehr gebaut, werden die Subventionen noch einmal deutlich gekürzt.
Über die Regelungen des Koalitionsvertrages hinaus soll die Vergütung für Offshore-Windenergie 2018 und 2019 noch einmal jeweils um ein Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden.
Biogas-Anlagen sollen nur noch mit maximal 100 Megawatt pro Jahr zugelassen werden. Zudem wird die Vergütung hier ebenfalls beschnitten. Die Kraftwerke stehen wegen des rapide ausgedehnten Maisanbaus in der Kritik. Dennoch soll Deutschland bis 2025 einen Anteil von 40 bis 45 Prozent Ökostrom erreichen. Jetzt sind es 25 Prozent.
Um einen Ansturm von Investoren zu verhindern, die noch nach den alten Konditionen bauen wollten, sieht Gabriels Entwurf zudem vor, dass als Stichtag der Kabinettsbeschluss am Mittwoch gilt: Nur Windräder, die bis dahin genehmigt sind, kommen noch in den Genuss der alten Regelungen.
Kaum Details enthält das Papier zu den Privilegien der Industrie, die zu großen Teilen von der Umlage befreit ist und so die Kosten für die übrigen Verbraucher mit in die Höhe treibt. Hier will man in Verhandlungen mit der EU, die wegen der Rabatte ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, eine Lösung finden. Klar ist aber, dass eine Umlage - wenn auch in reduzierter Höhe - auch auf die Eigenerzeugung von Strom der Industrie fällig wird. Auch die Bahn als großer Verbraucher muss sich künftig beteiligen. Diese war bisher weitgehend befreit.
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