Der Ausgangsstoff für Retentis, das Produkt von AgroBiogel, ist dagegen der natürliche Stoff Lignin. In der Zellstoffindustrie - die etwa die Papier- und Textilindustrie beliefert - fällt Lignin als Holzreststoff an. Er wird bisher meist thermisch verwertet, also für die Fernwärme- oder Stromerzeugung verbrannt. AgroBiogel macht aus Lignin ein Granulat, das in den Boden eingearbeitet wird. Es wird in gärtnerische Substrate beigemischt, direkt in Pflanzlöcher eingefüllt oder beim Säen in Ackerfurchen gestreut.
Einsatz in Stadt und Land
Ein Gramm Granulat kann zehn bis 15 Gramm Wasser aufnehmen. Ein Teil des Wassers verdunstet, aber ca. 75 Prozent des Wassers werden an die Pflanzen abgegeben. Im Boden hält das Granulat drei bis fünf Jahre lang, bevor es durch Mikroorganismen vollständig abgebaut wird. "Unser Produkt ist das einzige in dem Bereich, das eine Biozertifizierung hat", sagt Keplinger.
Seine Wirkung besonders gut entfalten kann Retentis bei jungen Pflanzen, erklärt AgroBiogel-Verkaufsleiter Christoph Ertl. Das Granulat schütze die Keimpflanze im Acker und führe zu schnellem Wachstum, auch unter suboptimalen Bedingungen. Vermarktet wird das Produkt in den Bereichen Neupflanzungen im Obst- und Weinbau, Aufforstung von Wäldern, kommunales Grün im urbanen Raum und im Haus- und Gartenbereich. Aber auch auf großen landwirtschaftlichen Flächen im Ackerbau soll es zukünftig zum Einsatz kommen.
Lokale Produktion in aller Welt
AgroBiogel produziert bis jetzt in Tulln, wo der Fertigungsprozess in den letzten Jahren auf ein industrielles Niveau hochskaliert wurde. Gemeinsam mit dem Unternehmen AustroCel entsteht an dessen Standort in Hallein, Salzburg, gerade die erste Industrieanlage, die Anfang 2025 in Betrieb gehen wird. Das Start-up hat einen internationalen Markt im Visier, mit dem Ziel möglichst lokal für die Endkonsumenten zu produzieren. Die Finanzierung des Jungunternehmens lief zunächst über Förderprogramme. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde ist ein strategisches Investitionskonsortium eingestiegen.
Grüner Acker soll kühler bleiben
Hydrogele haben in gewissen Bereichen Potenzial, etwa im Weinbau, im Gartenbau oder in anderen, eher kleinflächigen Bereichen, sagt Pflanzenbauexperte Andreas Pfaller von der Landwirtschaftskammer. Ob die Technologie im Ackerbau wirtschaftlich einsetzbar sein wird, hänge stark von den Kosten ab. Versuche, die Wasserspeicherfähigkeit von Böden mit Hilfsstoffen zu erhöhen, gebe es immer wieder, u.a. mit Tonziegelgranulat, wie es auch für Balkonpflanzen angeboten wird.
Breitflächig werde aktuell versucht, Böden durch Bedeckung mit Zwischenfrüchten besser auf Trockenperioden vorzubereiten. Indem Ackerboden nach der Ernte begrünt wird, verhindert man ein übermäßiges Aufheizen. "Wenn sich der Boden auf 40 Grad aufheizt, stirbt auch das Bodenleben", sagt Pfaller. Vor der Aussaat werden die Zwischenfrüchte in den Boden eingearbeitet, was die Humusbildung fördert. Die fruchtbare Schicht schützt Böden vor Trockenheit, Wasser- und Winderosion.
Resistente Pflanzen züchten
Große Hoffnungen bei der Anpassung an den Klimawandel liege auch auf der Pflanzenzucht. Spezielle Nutzpflanzensorten wenden eine Reihe von Mechanismen an, um besser mit Trockenperioden zurecht zu kommen. Im Endeffekt müssen laut Pfaller mehrere Bedingungen stimmen, um Dürrephasen zu überstehen: "Wenn es sechs Wochen nicht regnet, muss die Pflanze fit sein und der Boden muss fit sein."
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