Stadtwerke-Chef Weinelt: "Im Energiebereich wird nicht gespart"

Peter Weinelt steht im Anzug mit gekreuzten Armen in seinem Büro.
Peter Weinelt über die Strompreis-Entlastung, das neue Strommarktgesetz und wozu es die Stadtwerke als Holding über Wien Energie, Wiener Netze & Co eigentlich braucht.

Stadtwerke-Chef Peter Weinelt ist ein ausgewiesener Energie-Experte. Im Interview erklärt er, warum es zur Energiewende keine Alternative gibt und daher der gesamte Gewinn des Konzerns in dieses Mega-Projekt fließt. Eine Krise wie 2022, als Wien Energie fast in die Pleite schlitterte, schließt er heute aus.

KURIER: Sie bezeichnen die Stadtwerke als einen Klimaschutzkonzern. Was sagen Sie in diesem Lichte zum Aus für die dritte Piste am Flughafen Wien?

Peter Weinelt: Das Argument der massiv gestiegenen Baukosten kann ich nachvollziehen. Der Flughafen ist aber sehr stark daran interessiert, dass er floriert und weiter wächst. Und wenn das mit der bestehenden Infrastruktur möglich ist, wäre das eine gute Option.

Die Bundesregierung will die Steuern auf Energie ja aktuell um 500 Millionen Euro senken und zapft dafür Reserven von Verbund & Co an. Kann da beim einzelnen Haushalt mehr als eine Mini-Entlastung ankommen?

Ich mische mich nicht in politische Diskussionen ein. Solange nicht klar ist, wie die 500 Millionen Euro an die Kunden und Kundinnen weitergegeben werden sollen, kann zum Effekt auf einzelne Haushalte keine seriöse Aussage getroffen werden. Klar muss sein, dass uns mittelfristig nur Investitionen in Erneuerbare und die Netze weiter bringen.

Sie sind über Wien Energie und Wiener Netze quasi von beiden Seiten her vom neuen Strommarktgesetz betroffen. Was überwiegt für Sie, die Kosten oder der Nutzen?

Ich begrüße aus beiden Blickwinkeln, dass das Gesetz nach langer Diskussion nun endlich beschlossen wurde – ein moderner Rechtsrahmen für den Strommarkt war überfällig. Details kann ich noch nicht kommentieren. Was zählt, ist, dass nun Rechtssicherheit für die Energiewende in Österreich entsteht.

Was können die Stadtwerke beitragen, um das Wiener Budget zu sanieren?

Das eine sind unsere 18.000 Mitarbeitenden, das sind zwei Prozent vom Wiener Arbeitsmarkt. Das ist ein riesiger Beitrag zum wirtschaftlichen Florieren der Stadt. Auch unsere 230 Lehrlinge, die jedes Jahr bei uns anfangen. Dazu kommt unser Investitionsprogramm von etwa neun Milliarden Euro in der gesamten Gruppe bis 2030. Das teilt sich in etwa gleichmäßig auf Verkehr, Energie und Netze auf. Daraus ergibt sich eine Wertschöpfung von etwa sieben Milliarden Euro und ein sehr großes Steueraufkommen. Ich glaube, dass das in Summe der nachhaltigste Beitrag zur Budgetsanierung ist. Außerdem liefern wir eine höhere Dividende ab – rund 60 Millionen Euro.

Gibt es ein Projekt wie die Wiener U-Bahn, das sich verzögert, wenn es schon nicht eingestampft werden muss?

Nein, die Investitionen sind notwendig. Auch der U-Bahn-Bau wird ja nur gestreckt, aber nicht grundsätzlich infrage gestellt. Die zeitliche Streckung ermöglicht es, auf die Stammstrecken-Sanierung der ÖBB zu reagieren, und es hat den positiven Nebeneffekt, dass man sich bei den Betriebskosten 20 Millionen Euro erspart. Im Energiebereich wird nicht gespart, das würde die Energiewende gefährden.

Peter Weinelt sitzr rechts am Tisch, gegenüber zwei Kurier-Redakteure.

Stadtwerke-Generaldirektor Weinelt im Gespräch mit Agnes Preusser und Michael Bachner vom KURIER.

Verstehen Sie, dass es viele Menschen komisch finden, dass man den Frankhplatz fertig baut, aber nicht anfährt?

Ich kann verstehen, dass das fürs Erste ein bisschen eigenartig klingt. Den Frankhplatz nicht fertig zu bauen hätte keine Kosten eingespart. Damit ist die Baustelle abgeschlossen, die U-Bahn-Station geht dann später in Betrieb. Aber vor allem mussten wir auf die Stammstrecken-Sperre der ÖBB reagieren. Unterm Strich haben wir jetzt keinen Mischbetrieb zwischen der U2 und der U5, sondern einen verlässlichen Betrieb der U2.

Wie schaut es mit Hackerangriffen auf ihr Unternehmen aus? Sie haben einmal gesagt, die Stadtwerke werden jede Sekunde mehrmals angegriffen. Hat sich das beruhigt, wird das immer mehr?

Als Wien Energie aus den ehemaligen Russengas-Verträgen ausgestiegen ist, waren wir schon keine zwölf Stunden später massiven Hacker-Angriffen ausgesetzt. Diese Angriffe gibt es in dieser Intensität nicht mehr, aber es gibt immer wieder Versuche, unser Netzwerk zu infiltrieren.

Was tun Sie dagegen? 

Wir haben die IT und die Security stark ausgebaut und gebündelt, also eine Organisation geschaffen, die Stadtwerke-weit zusammenarbeitet. Auch Wien insgesamt, als eine der lebenswertesten Städte der Welt, ist ein beliebtes Angriffsziel. Da geht es den Hackern ja oft um Prestige-„Erfolge“.

Hat sich eigentlich das Verhältnis mit dem Bund gebessert, seitdem die SPÖ Teil der Regierung und Peter Hanke jetzt Infrastrukturminister ist?

Das persönliche Verhältnis ist ein sehr gutes, quer durch die ganze Bundesregierung, natürlich auch zu Peter Hanke. Nachdem er vorher für die Stadtwerke zuständig war, ist ihm natürlich klar, was der öffentliche Verkehr zum Beispiel braucht. Und das ist in seiner neuen Rolle ein Riesen-Asset. Das frühere ständige Wien-Bashing hat auch überhaupt nichts gebracht. Die Menschen da draußen wollen nicht Politiker, die streiten. Die Menschen wollen Lösungen.

Wien will 2040 klimaneutral sein. Wie weit sind wir?

Das ist eine Frage, die beschäftigt mich teilweise bis in die Nacht hinein. Ja, es ist eine riesige, auch organisatorisch riesige Kraftanstrengung. Da reden wir von unglaublich vielen einzelnen Projekten, wie zuletzt dem Erwerb von „Im Wind“, einem der größten Windkraftbetreiber im Land. Aber wenn man in Zukunft stabile, leistbare Energiepreise haben will, führt am Ausbau der Erneuerbaren kein Weg vorbei. Das hat uns das Jahr 2022 mit der Versiebzehnfachung des Gaspreises auf die ganz harte Tour gelehrt.

Können Sie eine derartige Krise wie 2022, als die Wien Energie mit einem Fuß in der Pleite stand, heute ausschließen?

Derartige Situationen wiederholen sich nie 1:1. Ein zweites 2022 kann ich ausschließen, weil wir erstens aus dem Russengas völlig raus sind und zusätzlich ein Risikomanagement aufgesetzt haben, wie es sonst nur Großbanken oder Versicherungskonzerne haben, die wiederum ihre Lehren aus der Finanzkrise gezogen haben.

Wird Energie in Zukunft wieder billiger?

Ohne Erneuerbare würde Energie teurer. Mit Erneuerbaren dämpfen wir die Energiepreise. Unser Gewinn fließt zur Gänze in die Energiewende. Allein Wien Energie investiert im Jahr rund 500 Millionen Euro.

Ist die Gasversorgung für den Winter gesichert? Sind die Speicher voll?

Die Wiener Kunden müssen sich keine Sorgen machen. Wir haben die Gasspeicher entsprechend gefüllt, sodass wir gut über diesen Winter kommen werden.

Abschlussfrage: Wozu braucht es eigentlich die Stadtwerke als Mutterkonzern über die einzelnen Firmen, die ja alle ihre Geschäftsführung und ihre vielen Mitarbeiter haben?

Für den Betrieb der Straßenbahn braucht es die Stadtwerke mit ihren rund 400 Beschäftigten nicht. Aber eine Holding oben drüber hat natürlich schon ihre Vorteile. Wir erledigen Aufgaben für die gesamte Gruppe, auf dem Arbeitsmarkt sind wir auf Augenhöhe mit den großen Playern wie etwa den ÖBB. Und wir haben in der Gruppe mit ihrer Größe auch eine Bonität wie sonst nur die Stadt Wien oder der Bund. Das ermöglicht eine viel günstigere Finanzierung für Projekte der Wien Energie oder der Wiener Linien. Wenn Sie also so wollen: Manchmal kommt es auf die Größe an.

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