So will die EU den Steuerbetrug eindämmen

Wer über 2500 Euro verdient, profitiert von Senkung des Eingangssteuersatzes am meisten.
Finanzminister Schelling aber warnt vor Steuererhöhungen in Österreich.

Jährlich entgehen den EU-Staaten rund 50 Milliarden Euro an Mehrwertsteuern durch Betrug. Dem möchte die EU-Kommission nun Einhalt gebieten und hat heute Donnerstag einen Aktionsplan vorgelegt, mit dem das Mehrwertsteuersystem in der EU modernisiert werden soll. Die tatsächlichen Mehrwertsteuereinnahmen (für 2013, Anm.) liegen 170 Mrd. Euro unter dem zu erwartendem Betrag. Dies ist eine enorme Verschwendung", sagte EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici. EU-weit beliefen sich die Mehrwertsteuereinnahmen 2014 auf fast eine Billion Euro.

Diese "Mehrwertsteuerlücke" ist nicht in allen EU-Staaten gleich groß: Für Österreich hat die EU-Kommission für den Zeitraum 2009 bis 2013 einen Ausfall von 11 Prozent errechnet, dies entspricht 3,2 Mrd. Euro. Die größte Lücke weist demnach Rumänien mit 41,1 Prozent auf, die geringste Finnland mit 4,1 Prozent.

Karussellbetrug soll eingedämmt werden

Das momentan gültige System fördert nach Ansicht der EU-Kommission so genannten Karussellbetrug. Der funktioniert folgendermaßen: Und zwar nutzen dabei Händler aus, dass bei einem Geschäft über die Grenze zweier EU-Staaten hinweg keine Mehrwerts- und Umsatzsteuer anfallen. Sehr wohl aber bei einem Geschäft innerhalb eines Landes. Ein vereinfachtes Beispiel:

  1. Firma A, mit Sitz in Deutschland, verkauft eine Lieferung an Handys im Wert von einer Million Euro an Firma B, mit Sitz in Österreich. Bei diesem Geschäft fallen keine Steuern an.
  2. Firma B verkauft die Handys weiter an Firma C, die ebenfalls in Österreich sitzt. Aufgrund der Mehrwertsteuer von 20 Prozent in Österreich macht das Geschäft zwischen B und C 1,2 Millionen Euro aus.
  3. Die Steuer müsste B innerhalb einer Frist an das Finanzamt abführen. Die Firma B verschwindet jedoch vorher. Finanzbehörden nennen so eine Scheinfirma „missing trader“ (deutsch: „fehlender Händler“).
  4. Firma C bekommt die Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückerstattet.
  5. Dann verkauft C zurück an A aus Deutschland, was wiederum ein steuerfreies Geschäft ist.

Dabei nutzen die Firmen zwei Umstände aus: Dass Geschäfte über zwei EU-Staaten hinweg steuerneutral sind, und die dreimonatige Frist für die Abgabe der Steuererklärung. Dieses Karussell lässt sich beliebig oft wiederholen. Und manchmal werden dabei unwissende Unternehmen in die Geschäfte eingebunden, die von dem Betrug nichts merken.

Mehr Zusammenarbeit und keine ermäßigten Produkte

2017 will die EU-Kommission einen konkreten Vorschlag zur Einführung endgültiger Vorschriften für einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum vorlegenDie EU-Kommission erhofft sich dadurch einen Rückgang des Betrugsvolumens um rund 40 Milliarden Euro. Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs im Rahmen der derzeit geltenden Vorschriften vorschlagen, etwa durch den Austausch von Informationen über Mehrwertsteuerbetrug, Betrugsmuster und bewährte Verfahren.

Die derzeit festgelegten Nullsätze und ermäßigten Steuersätze will die EU-Kommission zunächst einmal beibehalten. Für die Modernisierung der Steuersätze schlägt die EU-Kommission zwei Optionen vor:

  1. "Eine Option wäre, den Mehrwertsteuernormalsatz von mindestens 15 Prozent beizubehalten und das Verzeichnis von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen regelmäßig zu überprüfen", erklärte die EU-Behörde.
  2. Die zweite Option würde darin bestehen, das Verzeichnis für ermäßigte Produkte abzuschaffen. Dies würde aber Vorkehrungen gegen Betrug und unlauteren Steuerwettbewerb erfordern und könnte die Kosten für Unternehmen in die Höhe treiben.

Schelling warnt vor Steuererhöhungen

Das Finanzministerium begrüßt die von der EU-Kommission geplante Reformierung des Mehrwertsteuersystems, warnt aber vor Steuererhöhungen. Ermäßigungen will das Ressort von Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP) beibehalten. "Unser Ziel ist weiterhin die Senkung der Gesamtbelastung." Vor allem der ermäßigte Steuersatz auf Nahrung, Miete und Energie dürfe nicht angetastet werden, sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums.

In Österreich gelten derzeit drei Mehrwertsteuersätze: der Normalsatz von 20 Prozent sowie zwei ermäßigte Steuersätze in der Höhe von 10 beziehungsweise 13 Prozent. Mit zehn Prozent sind beispielsweise Lebensmittel, die Wohnraumvermietung, Zeitschriften und Bücher belastet. 13 Prozent fallen etwa für Blumen, Hotelübernachtungen und Theatertickets an.

So will die EU den Steuerbetrug eindämmen

Kommentare