So viel arbeiten die Österreicher im EU-Vergleich - und das sagen die Experten

So viel arbeiten die Österreicher im EU-Vergleich - und das sagen die Experten
Österreich hat die 34-Stunden-Woche. Zumindest wenn es nach einer neuen Erhebung geht.

In den Ländern der EU wird weniger gearbeitet als vor zehn Jahren. Das sagt das Statistikamt Eurostat in Luxemburg. Eurostat hat dabei Vollzeit und Teilzeit zusammen berechnet.  Ergebnis: Herr und Frau Europäer arbeiten im Durchschnitt 36 Stunden pro Woche; 2014 waren es 37 Stunden.

Am längsten in der Woche arbeiten die Griechen. Das Land war bekanntlich vor rund 15 Jahren bankrott. Dann folgen die Bulgaren, die Polen und Rumänen. Österreich liegt im Schlussfeld. Zusammen mit den Deutschen und Dänen. Am kürzesten arbeiten die Niederländer. 

Eurostat hat auch einzelne Branchen erhoben. Am längsten wird in der Land- und Forstwirtschaft gearbeitet (42 Stunden). Dann folgen die Rohstoffindustrie und die  Bauwirtschaft (39 Stunden) und die Transportwirtschaft/Logistik (38 Stunden). 

Am kürzesten nach Branchen arbeiten in der EU die (angemeldeten!) Haushaltsangestellten (28 Stunden). Am zweitkürzesten wird laut Eurostat im Bildungsbereich gearbeitet (32 Stunden) gefolgt von Berufen im Kunstbereich (Angestellte; nicht Freiberufler) mit 36 Stunden.

Warum liegt  Österreich am unteren Ende des Rankings? Der KURIER hat dazu Ulrike Huemer, Ökonomin beim Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO, Carmen Treml, Ökonomin bei der Agenda Austria und Oliver Picek, Chefökonom vom Momentum-Institut befragt.

Die „Teilzeitrepublik“. Sie alle sind sich einig, dass die hohe Teilzeitquote ein Grund für die im Schnitt niedrigeren Arbeitsstunden in Österreich ist. Huemer: „In den vorwiegend süd- und osteuropäischen Ländern ist der Teilzeit-Anteil gering. Ein hoher Teilzeit-Anteil drückt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit.“ Die Niederländer sind bei der Teilzeit auf Platz eins in der EU. Österreich liegt auf Platz zwei. Treml sprich deshalb von der „Teilzeitrepublik.“ Und: „Es lohnt sich in Österreich im Unterschied zu vielen anderen Ländern nicht, mehr zu arbeiten und aufzustocken“.


Picek meint, dass es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur ums Wollen, sondern auch ums Können gehe. Viele Unternehmen würden nur Teilzeitjobs ausschreiben, weil es auch für sie günstiger wäre. 
Vor allem Frauen arbeiten Teilzeit. Picek „Frauen drängen stärker als früher in den Arbeitsmarkt. Dadurch  haben wir mit 77,4 Prozent auch eine hohe Beschäftigungsquote.“ Das ist der Anteil der 20- bis 64-Jährigen die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, gemessen an der gesamten Bevölkerung der 20- bis 64-Jährigen.  

Und wie sieht es bei der Vollzeit aus? Hier liegen die Österreicher im EU-Spitzenfeld. Das sei grundsätzlich erfreulich, so Treml, doch sei in Österreich über die Jahre auch hier ein Rückgang bei der Arbeitszeit festzustellen.

Sind wir also wohlstandsverwöhnt und arbeiten zu wenig? Grundsätzlich sei in wohlhabenden Volkswirtschaften eine geringere Arbeitszeit häufig das Resultat von technologischem Fortschritt, so Huemer und Picek. Huemer: „Entscheidend ist nicht, wie viele Stunden gearbeitet wird, sondern wie viel in den Stunden geleistet wird. Mit Blick auf die Arbeitsproduktivität zählt Österreich zu den Spitzenländern in der EU.“

Treml ist der Meinung, dass sich Österreich trotzdem nicht auf seinen Wohlstand  ausruhen könne. „Wir entwickeln uns nicht weiter. Wir wachsen nicht. Langfristig geht sich das nicht aus, wenn wir den Wohlstand halten wollen.“ Fazit für Treml: „Es muss mehr gearbeitet werden.“

Beim Wirtschaftswachstum ist Österreich wie berichtet derzeit Schlusslicht in der EU. Das ist ein Problem. „Ein geringes Wirtschaftswachstum geht oft mit einer stagnierenden oder sinkenden Arbeitszeit einher, vor allem wenn Unternehmen auf Nachfragerückgänge mit Arbeitszeitverkürzungen statt Kündigungen reagieren“, sagt Huemer.

Für Treml ist die Verbindung zwischen Wachstum und Arbeitszeit eine unmittelbare. Suchen doch viele Unternehmer trotz Flaute Arbeits- bzw. Fachkräfte. „Arbeit ist der wichtigste Faktor für Wachstum. Erfolgt keine Leistung, gibt es kein Wachstum.“

Und? Sind die  Griechen jetzt fleißiger als wir? Picek sagt, dass die Arbeitszeit in Griechenland immer schon hoch sei. Aber eben deshalb, weil die Technologisierung geringer sei. So wie auch  in den osteuropäischen Staaten.  Huemer verweist auf die niedrige Teilzeitquote in Griechenland (6,2 Prozent; in Österreich bei 30,7 Prozent). Weil in Griechenland viel weniger Frauen auf dem Arbeitsmarkt tätig sind. Die Beschäftigungsquote liegt laut WIFO in Griechenland bei 69,3 Prozent (Österreich 77,4 Prozent). Für Treml steht trotzdem fest: „Moralisches Vorbild in puncto Arbeitszeit sind wir für die Griechen sicher nicht.“

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