Siemens testet Kombi aus Lehre und FH-Studium
Die Praxis muss wieder mehr zählen, ein Lehrabschluss der AHS-Matura gleichgestellt werden. Sätze wie diese sind in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels oft zu hören. Konkrete Maßnahmen schon weniger. Der Technologieriese Siemens geht gemeinsam mit der Fachhochschule (FH) St. Pölten neue Wege und kombiniert die Lehre kurzerhand mit einem Studium. „Duales Studium plus“ nennt sich das Pilotprojekt zur Attraktivierung der betrieblichen Ausbildung.
Zielgruppe Maturanten
Dazu werden gezielt AHS-Maturanten angeworben, die parallel zum Studium „Smart Engineering“ an der FH St. Pölten eine Lehrausbildung zum Elektrotechniker bei Siemens absolvieren können. Nach sieben Semestern stehen den Absolventen mit dem Bachelor of Science in Engineering und Lehrabschluss mit Digitalisierungsschwerpunkt dann alle Türe offen. „Praktische Grundkenntnisse samt Theoriewissen erweitert die Jobmöglichkeiten enorm“, erläutert Gerhard Zummer, Leiter der Lehrlingsausbildung bei Siemens Österreich. Zusätzlicher Anreiz: Für die Zeit nach der Lehre bis zum Bachelor-Abschluss wird das normale KV-Gehalt bezahlt.
Das Studium beginnt im September 2019. Bewerbungen sind ab sofort möglich. Kommt das Pilotprojekt gut an, könnte es breiter ausgerollt werden, so Zummer. Andere Firmen seien als Nachahmer willkommen.
Duale Akademie
AHS-Maturanten als Lehrlinge gewinnen will auch das Projekt „Duale Akademie“ in Oberösterreich und Salzburg, bei dem Siemens ebenfalls mitmacht – der KURIER berichtete. Während einer auf 2,5 Jahre verkürzten betrieblichen Ausbildung erhalten die Maturanten eine Vollzeit-Anstellung zum KV-Einstiegsgehalt, das bis zu 1900 Euro betragen kann. „Es ist eine gute Idee, Maturanten als Lehranfänger einzubinden, weil es die Durchlässigkeit des Bildungssystems erhöht“, sagt Zummer, „Lehre darf kein Plan B sein.“
Siemens bildet derzeit österreichweit 400 Lehrlinge in elf – überwiegend technischen – Lehrberufen aus, heuer werden wieder 100 aufgenommen. Stolz ist der Ausbildungschef auf die vergleichsweise hohe Frauenquote von 50 Prozent am Siemens-Standort Weiz.
In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Bewerber nicht weniger geworden, aber das Niveau gesunken, berichtet Zummer. Besonders in Mathematik und Informatik hapere es. „Wir können zwar nachschulen, damit der Anschluss an die Berufsschule gelingt, aber nicht alle Versäumnisse aufholen.“ Verbesserungsbedarf ortet er bei der Berufsorientierung. Statt eines Schnuppertages, der viel zu wenig Einblick in den Beruf gewähre, sollte es in Neuen Mittelschulen (NMS) ein verpflichtendes Praxismonat mit Schnupperlehre in mehreren Betrieben geben.
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