Wolfgang Hesoun: "Es ist eine perverse Situation"

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KURIER: Siemens hat im Übernahmekampf um Alstom gegen den US-Konzern GE verloren. Bei einer Verflechtung mit Alstom hat vor allem der Betriebsrat befürchtet, dass der ganze Bahnsektor an Alstom geht und dass das hunderte Jobs in Österreich kostet. Sind Sie enttäuscht oder froh, dass Siemens nicht zum Zug gekommen ist?
Wolfgang Hesoun: Die Aufregung hat sich mittlerweile wieder gelt. Der eine oder andere Betriebsrat war doch sehr besorgt um den Bereich Mobility. Ich war immer der Meinung, dass sich ein gut geführter Betrieb überall behaupten kann. Aber das Thema ist ja jetzt vom Tisch. Die Übernahme des Gasturbinen-Geschäfts von Alstom hätte Siemens neue Marktchancen eröffnet, das findet jetzt nicht statt. Persönlich habe ich zu beiden Themen keine Emotionen.
Wie konkret waren Pläne über eine Abgabe der Zugsparte?
Ich tu’ mir selbst schwer, das zu beurteilen. Im letzten Angebot von Siemens dürfte es nur noch um die Signaltechnik gegangen sein und nicht um die Abgabe der gesamten Mobilitysparte. Aber ich hätte mich auch davor nicht gefürchtet. Wir sind mit dem railjet genauso wie mit dem ULF (Niederflur-Straßenbahn, Anm.) und den U-Bahnen auf dem Weltmarkt gut aufgestellt.
Stichwort railjet: Die ÖBB wollen die restlichen 9 Garnituren, die die tschechische Staatsbahn nicht gekauft hat, jetzt doch wieder selbst übernehmen. Gibt es schon Gespräche?
Dazu kann ich derzeit nichts sagen. Die Entscheidung liegt beim Kunden ÖBB.
Beim ULF geht es gegen den Konkurrenten Bombardier um 120 neue Garnituren für die Wiener Linien. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Ich habe gelesen, dass die Fahrgäste in einer Umfrage den ULF sehr positiv bewertet haben. Daher würden wir uns über die zusätzlichen Garnituren für Wien sehr freuen.
Um wie viel Geld geht es da?
Das kann man derzeit noch nicht genau sagen. Das hängt unter anderem von der technologischen Ausstattung ab. Der ULF wird an die bedürfnisse des Kunden angepasst. Und es ist eine kombinierte Ausschreibung, das heißt, es kommt auch darauf an, welche Wartungsleistungen wir dann im Betrieb erbringen und wie viel die Wiener Linien selbst machen.
Werden Sie, wie Ihr Konkurrent bei einem anderen Auftrag, damit drohen, dass der Standort Wien gefährdet ist, wenn Sie den Auftrag nicht kriegen?
Das hat mich damals schon sehr überrascht, dass ein Anbieter so weit geht, das ist schon ein ernstes Thema. Aber das tun wir aus Prinzip nicht. Ich halte überhaupt nichts davon, einem Kunden zu drohen, wir wollen ihn mit unserem Produkt überzeugen.
Im Gegensatz zum Bahnsektor gibt es im Energiebereich derzeit kaum Aufträge, weil niemand investiert...
Bei Leitungen und in der Übertragung läuft es sehr gut, hier ist der Innovationsbedarf sehr groß. Im Bereich der Kraftwerke wirkt auch bei uns die skurrile Situation der Pseudo-Energiewende. Unsere Auftraggeber müssen neuwertige und effiziente Kraftwerke bilanziell abschreiben. Das führt nicht unbedingt dazu, dass die Investitionsfreude steigt. Es ist eine wirklich perverse Situation, dass wir die effizientesten Kraftwerke (Gaskraftwerke, Anm.) nicht betreiben, dafür aber abgeschriebene Kohlekraftwerke wieder anfahren.
Was meinen Sie mit Pseudo-Energiewende?
Es gibt keine Zielrichtung. Wenn ich einerseits die alternativen Energiequellen wie Sonne und Windkraft hoch subventioniere, andererseits aber effiziente Kraftwerke nicht wirtschaftlich betreiben kann und alte Kohlekraftwerke die einzige wirtschaftliche Form der Stromerzeugung sind, weil -Zertifikate fast nichts kosten, das ist für mich Pseudo.
Zurück zu Siemens. Der Konzern wird wieder einmal umgebaut. Kennen Sie sich noch aus?
Ja (lacht), was soll ich sonst sagen. Das Herausnehmen einer Management-Ebene gut und die Konzentration der Geschäftsfelder von sechzehn auf neun macht Sinn. Es hat sich schon gezeigt, dass damit ien hoher Verwaltungsaufwand verbunden war. Mit der Umstrukturierung bringen wir die operativen Divisionen wieder näher an den Markt.
Gibt es bei Siemens Österreich weitere Bereiche, die wie der Anlagenbauer VAI mehrheitlich an einen Partner abgegeben werden könnte?
Nein, da sehe ich keine Sparte, für die ein Partner in Frage kommt.
Wie läuft die Umsetzung des Joint-Ventures mit dem japanischen Anlagenbauer Mitsubishi Heavy Industries?
Wir haben, glaube ich, den idealen Partner gefunden. Die Produktbereiche der beiden Unternehmen überlappen sich kaum, wir können die Stärken bündeln. Beide Unternehmen spüren zwar die Stahlkrise, aber die VAI kann vom besseren Markt in Asien profitieren. Das erhöht auch die Chancen für den Standort Linz. Und Mitsubishi profitiert in einigen Bereichen von der Technologie der VAI.
In Linz könnten aber viele Arbeitsplätze verloren gehen...
Die Problematik mit den Arbeitsplätzen, und das habe ich auch den Politikern gesagt, hängt nicht an der Frage des Eigentümers. Mit dem Partner können wir den Bereich wesentlich besser aufstellen als im Alleingang und das sichert auch die Arbeitsplätze ab.
Die Industrie jammert immer öfter über die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und der österreichischen Industrie. Was müsste zur Verbesserung geschehen?
Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sind durch das derzeitige budgetäre Umfeld sehr schwer umzusetzen. Daher gibt es nur eines: Wir müssen auf der Ausgabenseite beginnen, das Budget zu sanieren. Eine einnahmenseitige Sanierung - sprich Steuererhöhungen – belastet den Standort weiter. Bis Reformen wirken, vergeht zwar eine geraume Zeit, aber wenn man jetzt nicht anfängt, dann ist es wie mit der Pensionsreform, es wird nie etwas daraus. Wir diskutieren eine Steuerreform, aber wir schaufeln immer nur denselben Haufen in eine andere Ecke. Das ist das echte Problem: Der Spielraum der Politik ist so klein geworden, dass mittlerweile die Unzufriedenheit aller Bevölkerungsschichten enorm groß ist.
Wo müsste die steuerliche Entlastung früher ansetzen: Bei den Unternehmen oder bei der Lohnsteuer?
Ohne Einsparungen auf der Ausgabenseite bleibt jede Steuerreform ein Placebo. Die Steuerreform muss aufkommensneutral sein, sinkende Einnahmen müssen durch Senkung der Ausgaben gegenfinanziert werden. Daher ist das eine Diskussion um des Kaisers Bart. Und die wird ideologisch geführt.
Die Wettbewerbsfähigkeit hängt ja nicht nur von der Steuerquote ab. Die Unternehmen fordern auch eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wie groß ist da das Defizit?
Das hängt oft davon ab, wie weit ein Betriebsrat bereit ist, vernünftige Lösungen mitzutragen. In Großunternehmen funktioniert das oft, bei kleineren Firmen ist das sehr schwierig. Daher ist er nicht immer optimal, das Problem auf betrieblicher Ebene zu lösen.
Also eine gesetzliche oder zumindest kollektivvertragliche Lösung?
Die Rahmenbedingungen müssen im Kollektivvertrag festgelegt werden. Aber Detaillösungen können nur angepasst an den Betriebsablauf im Betrieb gemacht werden.
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