Ruf nach neuer Marktwirtschaft

"Unser System der Marktwirtschaft funktioniert nicht mehr, es entwickelt sich nicht mehr zum Wohl der Mehrheit." Martin Winkler, Unternehmer und Präsident des Vereins respekt.net, fordert eine nachhaltige Marktwirtschaft. Das derzeit weltweit herrschende Wirtschaftssystem sei nicht geeignet, global Wohlstand zu schaffen, sondern diene immer stärker der Befriedigung von Interessen einzelner Gruppen, die Kluft zwischen Wohlstand und Armut werde weltweit größer. Winkler, im "Hauptberuf" Partner und Geschäftsführer des auf Beratungsunternehmens Schwabe, Ley & Greiner (SLG): "Die Fehlentwicklungen reichen von den Steuerflucht-Strategien der Großkonzerne über Briefkastenfirmen der Reichen in Panama bis zur Selbstbedienungsmentalität der Manager."
Verantwortung
Um globalen Wohlstand aufzubauen und ihn auch abzusichern, hält Winkler eine neue Form der Marktwirtschaft für notwendig. Um diese auch umzusetzen, müsste das derzeit vorherrschende kurzfristige Profitdenken wieder langfristiges Denken und Strategien der Unternehmen weichen. Und die Unternehmer müssten, fordert er, wieder mehr Verantwortung übernehmen.
Die "Unternehmerische Verantwortung" definiert Winkler in seinem "Manifest für eine nachhaltige Marktwirtschaft". In elf Thesen listet er auf, dass die Unternehmer unter anderem Verantwortung oder zumindest Mitverantwortung für die Vollbeschäftigung, für ein auskömmliches Einkommen, aber auch für eine gerechte Verteilung des Vermögens und sogar für einen leistungsfähigen Staat hätten.
Die Chancen auf Vollbeschäftigung stünden freilich derzeit denkbar schlecht. Winkler: "Wir sind mit Massenarbeitslosigkeit konfrontiert." Beschäftigungspolitik vor dem Hintergrund einer globalisierten Wirtschaft sei zwar vor allem in einem kleinen Land mit hohem Exportanteil schwierig, "aber wir müssen die Diskussion über Wege zur Vollbeschäftigung mit allen Partnern in Wirtschaft und Politik führen."
Den Interessensvertretern seiner eigenen Zunft, Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV), stellt er schlechte Zeugnisse in diesem Dialog aus: "Ich will keine Plakate mehr sehen, wo draufsteht, dass nur die Wirtschaft Beschäftigung schafft. Wer das glaubt, ist eigentlich fetzendumm." Kammer und IV "übertreffen sich dabei, die bestehenden Arbeitsplätze samt und sonders als alleinige Leistung von Unternehmern darzustellen", kritisiert Winkler. Jobs würden aber gleichermaßen von Unternehmern, öffentlichen Nachfragern und privaten Konsumenten geschaffen.
Wenig glaubwürdig
Noch schärfer kritisiert Winkler die Unternehmer-Lobbys bei ihren Forderungen nach Reformen. "Es ist schon richtig, dass die Beamtenpensionen stärker steigen als die Wirtschaftsleistung", ortet auch er gravierende Probleme im Pensionssystem. Aber: "Rufe nach Reformen sind unglaubwürdig, wenn ich im eigenen Sozialsystem keine Reformen schaffe." Die Pensionssysteme der Selbstständigen (GSVG und SFVG, Anm.) brauchen jährlich 1,7 Milliarden Euro vom Staat. Winkler: "Der Selbstfinanzierungsgrad liegt unter 50 Prozent." Das ASVG-System für die unselbstständig Beschäftigten dagegen finanziert sich zu 80 Prozent aus Beiträgen.
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