Rapid, Windkraft, Start-ups und Co: Crowdinvesting boomt

Fast im Tagesrhythmus starten derzeit neue Crowdinvesting-Kampagnen, zuletzt auch das Thermenhotel Kurz in Lutzmannsburg, dass seinen Investoren die Zinsen als Gutscheine auszahlen will. In einer eigenen Liga spielt der "Rapid InvesTOR", nicht einmal eine Woche nach dem Start übersprang der Wiener Fußballverein die Millionenschwelle.
"Zweistellige Millionensummen"
Experten gehen davon aus, dass der Boom auch 2016 anhalten wird. "Das Potenzial ist da, in Zukunft werden wir wohl zweistellige Millionensummen sehen", sagt Paul Pöltner, Vorsitzender des neuen Crowdinvesting-Fachausschusses in der Wirtschaftskammer (WKO), der mit Conda auch eine der derzeit sechs österreichischen Crowdinvesting-Plattformen betreibt. Er schätzt, dass heuer bereits deutlich mehr als 5 Mio. Euro an Crowd-Kapital eingesammelt werden. 2014 waren es 2,4 Mio. Euro, 2013 im allerersten Crowdinvesting-Jahr 613.000 Euro.
Was im neuen Gesetz steht
Heuer im ersten Halbjahr wurden bereits 3,3 Mio. Euro investiert. Das neue Crowdfunding-Gesetz (Alternativfinanzierungsgesetz, AltFG), das am 1. September in Kraft getreten ist, dürfte für zusätzlichen Schwung gesorgt haben. Gemäß dem Gesetz sind kleinere Finanzierungen ohne aufwendigen Kapitalmarktprospekt möglich. Erst ab einem Emissionsvolumen von 5 Mio. Euro braucht es den vollen Prospekt, zwischen 1,5 und 5 Mio. Euro gilt lediglich eine "Prospektpflicht light". Während Kritiker um den Anlegerschutz fürchten, ist das Gesetz für Pöltner ein "weiter Wurf", mit dem Österreich in der EU eine Vorreiterstellung einnimmt.
Pöltner glaubt nicht, dass sich der momentane Hype schon bald wieder verflüchtigt. Für diese Art der Finanzierung werde es immer Platz geben, ist er überzeugt. Dass Crowdinvestments in Start-ups durchaus riskant sein können, zeigt die Pleite von Woodero im heurigen April. Bei der Geschäftsidee, Hüllen für Smartphone und Tablets aus Holz herzustellen, setzten 175 Investoren 166.000 Euro in den Sand. Im großen Stil hat sich die Crowd, also die Masse, die Finger noch nicht verbrannt.
Mehr Vorsicht in Deutschland nach Pleiten
In Deutschland hingegen ist nach der milliardenschweren Pleite des Windkraftbetreibers Prokon eine Debatte über Anlegerschutz ausgebrochen. "Der Fall Prokon zeigt wieder einmal, dass es im grauen Kapitalmarkt Regulierungsbedarf gibt", hatte der deutsche Justizminister Heiko Maas 2014 erklärt. 75.000 Anleger haben in der Hoffnung auf hohe Renditen Prokon insgesamt 1,4 Mrd. Euro an Genussrechtskapital zur Verfügung gestellt - die Folge war eines der größten Insolvenzverfahren in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Länderübergreifende Plattformen
Pöltner geht davon aus, dass sich in den nächsten Jahren länderübergreifende Crowdinvesting-Plattformen etablieren werden. Es würden zwar regionale Nischen bleiben, der Großteil der Investorengelder werde aber in Zukunft über große europäische Portale aufgetrieben. So würden aktuell etwa britische Plattformen auf den deutschsprachigen Raum und somit auch auf Österreich schielen. Branchenüblich ist derzeit, dass die Plattformen zwischen 7 und 10 Prozent des Bruttoerlöses der Crowdfunding-Kampagne als Vermittlungsprovision kassieren.
Dass Crowdinvestoren mit Nachrangdarlehen oder Fruchtgenussscheinen schlechter gestellt seien als klassische Kreditgeber, Anleihengläubiger oder Aktionäre, stimme nicht unbedingt und hänge mit der Rechtslage zusammen. Eine Eintragung als Gesellschafter mache bei Investitionsbeträgen von wenigen hundert Euro keinen Sinn, da schon die notarielle Eintragung mehr kosten würde, so Pöltner. Nachrangige Darlehen und Genussrechte seien daher praktikable Finanzierungsinstrumente. Schlussendlich komme es aber auf die Vertragsgestaltung an.
Junge Männer
Laut Pöltner sind die Crowdinvestoren tendenziell eher Männer, es sei aber von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Meist sind die Kapitalgeber entweder zwischen 18 und 35 Jahre alt oder über 50.
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