Porsche Austria Chef: "Auch die Konkurrenz muss irgendwann Geld verdienen"

Ein Arbeiter bringt den Schriftzug „Porsche“ an einem blauen Auto an.
Porsche Austria Chef Hans Peter Schützinger will weniger Emotionalität, mehr Technologieoffenheit. Die aktuelle Standort-Schwäche sieht er als Angriff auf unseren Wohlstand.

„Das Thema ist mir immens wichtig“, sagt Hans Peter Schützinger zu Beginn des Interviews. Die Verteidigung des Standorts Österreich ist für den Porsche Austria / Porsche Holding Salzburg Chef direkt mit dem Wohlstand im Land verknüpft.

KURIER: Der Industriestandort Europa ist in Gefahr – wie geht es der Autoindustrie?

Hans Peter Schützinger: Die Automobilindustrie ist die letzte Leitindustrie in Europa und die Basis für Hunderttausende Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa. Die Branche ist mit der Transformation zur Elektromobilität und den hohen Investitionen extrem unter Druck. Hinzu kommt, dass der Übergang aufgrund multipler Krisen und schleppender Kundenakzeptanz länger als angenommen dauert. Das bedingt jetzt mitten am Weg zur E-Mobilität eine Rekalibrierung. Die Kehrtwende in den USA, wo der Verbrenner wieder stark forciert wird, trägt dazu bei. Ebenso wie der Einbruch des Luxusmarktes und der ruinöse Wettbewerb mit lokalen Herstellern in China. Und dann ist da auch noch die Zollthematik. Das ist eine schwierige Konstellation – so was war noch nie da. Ich sehe es als Angriff auf unseren Wohlstand, da wir als Industriestandort fragiler und anfälliger geworden sind.

Was ist aktuell für den Standort das größte Problem?

Die hohen Produktionskosten, hohe Energiekosten, hohe Lohnkosten – d. h., wir sind auf der Erzeugerseite und Kostenseite ordentlich unter Druck. Zum anderen belasten ein überbordender Bürokratismus und zu komplexes Regelwerk die Cashflows für notwendige Investitionen. Wir haben zum Teil auch das Fachpersonal nicht in kritischen Bereichen wie der IT. Die Regierungen versuchen gegenzusteuern, aber da bräuchten wir einen noch viel beherzteren Schnitt, gerade beim Bürokratieabbau, und ein klareres Bekenntnis zum Standort Europa.

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Geschäftsführer Porsche Holding Salzburg / Porsche Austria

Die Porsche Holding Salzburg ist eines der umsatzstärksten Unternehmen Österreichs – wie verteidigen Sie den Standort?

Salzburg ist seit 1949 Headquarter. Wir sind hier historisch gewachsen, schätzen das hohe Ausbildungsniveau, den sozialen Frieden, die hohe Lebensqualität. Wir stehen zu unserer Verantwortung als Arbeitgeber und investieren, obwohl wir keine steuerlichen Anreize zu erwarten haben. Anders als etwa in Ungarn, wo wir gerade unser Teilevertriebszentrum erweitern. Dort unterstützt der Staat Betriebsansiedlungen durch massive Steuer-Incentives – weshalb viele Autohersteller und Zulieferer zuletzt nach Ungarn gegangen sind.

Sie schaffen es sogar, immer mehr Länder von Salzburg aus zu betreuen.

Als Vertriebsorganisation setzen wir die Benchmarks im Konzern. Wir arbeiten deshalb seit Jahren an unserer Fitness und Effizienz. Wir sind in 29 Ländern auf drei Kontinenten aktiv, von Europa bis China und Japan, in Chile und Kolumbien. Dank der Marktleistungen und dem Wachstum schaffen wir es auch, den Standort abzusichern und immer wieder neue Marktverantwortungen zu erhalten.

Was ist zu tun, damit die Autoindustrie in Europa wieder stark wird?

Wir müssen uns auf die Stärken besinnen, die uns groß gemacht haben und wieder mehr Pioniergeist und Unternehmertum zeigen. Wenn wir nach China fahren zu den Automessen, dann spürt man die enorme Dynamik und die Fokussierung auf das Produkt und auf Erfolg. Wir müssen vom China-Speed lernen und zurück in den Wettbewerbsspirit finden. Wir haben immer noch innovative Produkte mit ausgezeichneter Qualität, verzetteln uns aber zu stark im unproduktiven Bereich und der Bürokratie.

So günstig wie in China wird man aber in Europa nie produzieren können.

Wir brauchen Wettbewerb auf Augenhöhe mit einer fairen Subventions- und Zollpolitik, damit wir mit den chinesischen Mitbewerbern mithalten können. Eine europäische Produktion mit ihren hohen Sozialstandards ist immer teurer. Umgekehrt, wenn chinesische Hersteller in Europa produzieren, werden die Preise für sie auch steigen. Für vergleichbare und realistische Rahmenbedingungen ist die Politik zuständig, das beinhaltet auch weniger ’Staatswirtschaft, mehr Privatwirtschaft’.

Die Zulassungszahlen in Österreich und Europa sind zuletzt wieder besser. Wie geht es in Auto-Europa weiter?

In Österreich werden es heuer rund 275.000 Neuzulassungen sein. Mir ist ein gesunder Markt in dieser Größenordnung lieber als einer mit 350.000, wo die Autos verschleudert werden. Wir wollen keinen überhitzen Markt, aber es ist in den nächsten Jahren noch Luft nach oben.

Welchen Platz hat Europa in einer weltweit neu geordneten Automobil-Industrie?

Eine tragende Rolle. Ich glaube an die Innovationskraft und die Kompetenz der europäischen Autoindustrie. Die lokalen Hersteller werden auf ihrem Heimmarkt die Nase mittelfristig vorne haben. Aktuell gibt es eine verschärfte Konkurrenz, aber auch die Mitbewerber müssen irgendwann Geld verdienen und profitabel ohne Staatssubvention wirtschaften. Wir werden technisch wieder führend sein, aber dazu wird es mehr strategische Allianzen auf den verschiedenen Kontinenten geben. Wir müssen das Label ’Made In Europe’ wieder stärker machen. Das ist ja auch weltweit gefragt.

Versteht die Politik die Autoindustrie?

Gebot der Stunde ist wieder mehr Pragmatismus über alle Parteigrenzen hinweg – und weniger Fundamentalismus. Die extremen Positionen gegen das Auto sollten wieder gemäßigter werden. Wir müssen wieder unemotionaler und technologieoffener über Mobilität reden. Die gesetzten CO2-Ziele und das Verbrenner-Aus 2035 sind im Kern richtig, aber zu ambitioniert und brauchen eine Anpassung an reale Bedingungen. Wir brauchen intelligente Zukunftsprogramme und keine reinen Sparprogramme. In Österreich hängen über 350.000 Arbeitsplätze an der Automobilindustrie und die totale Bruttowertschöpfung der Autoindustrie beträgt rund 30 Milliarden Euro. Die Politik muss die Wirtschaft und Gesellschaft auf ihrem Weg mitnehmen. Sonst werden wir massive Wohlstandsverluste erleiden.

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