Palfinger-Chef: "Brauchen extrem flexible Arbeitszeit"

KURIER: Palfinger hat noch 23 Werke in Westeuropa. Mittelfristig soll aber je ein Drittel des Umsatzes aus Europa, Amerika und Asien kommen. Brauchen Sie dann überhaupt noch alle europäischen Werke?
Herbert Ortner: Die europäischen Kernmärkte sind 2008/’09 drastisch eingebrochen. Wir haben dann begonnen, in neue Produktbereiche zu investieren, das gibt auch Auslastung für die europäischen Werke. Die europäischen Märkte haben sich in den vergangenen Jahren in unserem Segment kaum erholt. Die Werke in Europa sind kleinere Montagewerke, die brauchen wir vor Ort. Die größeren Werke sind in Osteuropa. Die brauchen wir zum einen für die Belieferung der anderen europäischen Werke, von dort liefern wir aber auch Komponenten nach Nord- und Südamerika. Daher sind wir gut ausgelastet. Und der Markt in Europa beginnt sich erst wieder zu erholen. Ich sehe daher keinen Bedarf für Werksschließungen in Europa.
Noch nicht?
Wenn es eine zweite Krise wie 2008/’09 gibt und die Märkte sich noch einmal halbieren, müssen wir wie alle anderen Kapazitäten anpassen. Aber durch das starke Wachstum haben wir Marktanteile gewonnen und sind daher gut ausgelastet.
Sie haben drei Werke in Österreich. Ist die österreichische Wirtschaftspolitik, die Rahmenbedingungen flexibel genug?
Ich fürchte, dass die großen Schwankungen bei den Aufträgen auch in Zukunft bleiben werden. Wenn ein Auftrag da ist, müssen wir arbeiten, wenn kein Auftrag da ist, müssen wir die Arbeit reduzieren. Daher brauchen wir extrem flexible Arbeitszeitmodelle. Und da gibt es sicher noch Änderungsbedarf. Das soll aber nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter geschehen, es soll auch den entsprechenden Lohnausgleich dafür geben. Aber eines ist klar: Wenn ein Auftrag da ist und wir können nicht liefern, liefert ein anderer.
Viele Unternehmen klagen, in Österreich nicht genügend qualifiziertes Personal zu bekommen. Klagen Sie auch?
Ja. Das wird immer schwieriger, vor allem im Bereich Elektronik, Mechatronik. Österreich ist ein Hochlohnland und wir können nicht mit billiger Produktion wettbewerbsfähig sein. Wir können uns nur mit Innovationen und mit technologischer Führerschaft abheben. Dafür brauchen wir die besten Schulen und die besten Forschungseinrichtungen. Standortsicherung geht nur über Bildung, Bildung, Bildung. Und da rutscht Österreich von Jahr zu Jahr ab. Es gibt eine einzige Universität unter den Top 100, bei jeder PISA-Studie landen wir im unteren Drittel. Da mache ich mir Sorgen um das Bildungsniveau in Österreich.
Haben Sie die Lehrlingsausbildung verstärkt, weil Sie zu wenige Facharbeiter bekommen?
Wir haben die Lehrausbildung massiv verstärkt. Und wir haben in den Krisenjahren 2008/’09 keinen einzigen Lehrlingsarbeitsplatz gestrichen. Was wir verstärkt anbieten, ist Lehre mit Matura. Wenn wir nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter vom Markt bekommen, müssen wir selbst mehr tun.
Was machen Sie mehr?
Die duale Ausbildung ist ein Vorteil in Österreich. Das haben viele Länder nicht. Was wir jetzt beginnen, ist, das System in unserem Werk in Bulgarien zu implementieren. Und wir machen das in Zukunft auch in China, wir sind gerade dabei, das zu implementieren.
Welche Auswirkungen hat die zunehmende Digitalisierung, Stichwort Industrie 4.0, für Palfinger?
Da gibt es zwei Bereiche. Das eine ist die Automatisierung, also die Vernetzung der Produktion. Damit beschäftigen wir uns schon sehr lange. Oder die Verknüpfung der Entwicklung mit einem 3-D-Drucker, der Prototypen herstellt, die wir früher händisch zusammengeschweißt haben. Was für uns aber viel interessanter ist, ist die Digitalisierung im Produktbereich. Mittlerweile gibt in jedem Kran viel Software. Da messen Sensoren, wie weit der Zylinder ausgefahren ist, oder wie der Winkel vom Hauptarm zum Knickarm ist. Wenn wir diese Sensoren vernetzen, können wir den Kran auf Knopfdruck ausfahren und nach der Tätigkeit automatisch wieder zusammenlegen. Das spart Zeit und bringt Produktivität.
Sie haben das ehrgeizige Ziel, den Umsatz bis 2017 auf 1,8 Milliarden Euro zu steigern. Fürchten Sie nicht – wie vor einigen Wochen etwa die voestalpine – dieses Ziel wegen der Konjunkturschwäche bald kräftig revidieren zu müssen?
Wir hatten vor vier Jahren das Ziel, den Umsatz in einem Fünfjahreszeitraum zu verdoppeln. Das ist uns gelungen. Deswegen haben wir uns 2013 gesagt, das wollen wir wieder erreichen, also von 2012 bis 2017 den Umsatz auf 1,8 Milliarden Euro zu verdoppeln. Ich gebe Ihnen recht, das ist ehrgeizig, aber ich sehe nach wie vor die Möglichkeit, dass wir es erreichen. Ob das ein Jahr früher oder später ist, ist nicht kriegsentscheidend. Wir reden da von einem strategischen Langfristziel.
Für ein börsenotiertes Unternehmen kann es aber schon kriegsentscheidend sein, ob ein Ziel ein Jahr früher oder später erreicht wird ...
Wenn man sich die Einschätzung der Analysten anschaut, sind wir noch weit weg von diesem Ziel. Ich will nicht sagen, sie glauben uns nicht ...
Es scheint aber so ...
... aber die Fristigkeit von Analysten ist eine andere. Die schauen das nächste Quartal an, vielleicht noch die nächsten 12 Monate. Wir haben das ehrgeizige Wachstum in den letzten Jahren geschafft. Außerdem sind wir, wenn wir die Joint Ventures in China und Russland dazurechnen, schon über 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Also braucht’s noch 400 bis 500 Millionen Euro. Das ist natürlich viel, aber wenn sich der Markt weiter so entwickelt wie 2015 und wenn es uns gelingt, den Marinebereich strategisch so auszubauen, wie wir das vorhaben, können wir ganz in die Nähe dieses strategischen Zieles kommen.
Sie wollen auch in neue Geschäftsfelder gehen. In welche?
Wir bleiben im Bereich hydraulische Hebe- und Ladeeinrichtungen. Da waren wir bis vor ein paar Jahre fokussiert aufs Land, also Krane und Aufbauten für Lkw und Schienenfahrzeuge. Jetzt bauen wir das verstärkt auf den Marinebereich aus, also für Schiffe oder Ölplattformen. Wir sind nach wie vor ein kleiner Player und da wollen wir uns eine entsprechende Marktposition aufbauen. In erster Linie durch Zukäufe.
Welche Regionen kommen dafür infrage?
Die großen Werften sind alle Weltmarkt-Player, die großen Reeder lassen ihre Schiffe in Südkorea oder in China bauen. Das heißt, man muss als Equipment-Hersteller weltweit vertreten sein, idealerweise auch mit eigenen Produktionsstätten.
Der promovierte Techniker (Technische Chemie) startete seine Karriere als Produktmanager bei Semperit. 2001 wechselte der ledige Vater eines Kindes zu Palfinger, wo er 2003 in den Vorstand (Marketing) aufrückte. Seit 2008 ist er Vorstandsvorsitzender.
UnternehmenPalfinger ist Weltmarktführer bei hydraulischen Ladekränen und unter anderem weltweit führender Anbieter von Hubarbeitsbühnen. 2015 erzielte der Konzern mit knapp 9000 Mitarbeitern 1,23 Milliarden Euro Umsatz und einen Nettogewinn von 64,4 Millionen Euro.
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