Osteuropas Löhne halten nicht Schritt

Osteuropas Löhne halten nicht Schritt
Zu verhalten: AK Wien sieht den Aufholprozess gegenüber Westeuropa gefährdet – und sorgt sich um den Arbeitsmarkt

Die Wachstumsraten in Osteuropa sind gut, die Arbeitslosigkeit geht (außer in Slowenien und Kroatien) stark zurück. Somit sollten eigentlich auch die Löhne in Österreichs Nachbarländern kräftig anziehen.

Das tun sie aber nicht, ergab eine Analyse des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) für die Arbeiterkammer Wien. „Die Lohnentwicklung ist – außer in Bulgarien und zuletzt in Rumänien – verhalten“, sagte WIIW-Vizechef Mario Holzner. Ein Grund sei, dass seit der Finanzkrise die Kollektivvertragssysteme (KV) „ausgehöhlt“ worden seien und die Einkommen nun häufiger auf Betriebsebene vereinbart werden.

Besonders drastisch zeigt sich das in Rumänien: Dort unterlagen 2008 die Arbeitsverträge von 98 Prozent der Beschäftigten einem gültigen Kollektivvertrag – wie in Österreich. Seither ist der Wert auf 35 Prozent gesunken. In Slowenien waren es vor 20 Jahren hundert Prozent, jetzt nur 65 Prozent. In der Folge wachsen die Löhne weniger rasch, als die Produktivität steigt. Die im Gegenzug für die gesunkene KV-Abdeckung in einigen Ländern gestiegenen Mindestlöhne seien ein unvollkommener Ersatz, weil das nur den „unteren Rand“ betrifft.

Osteuropas Löhne halten nicht Schritt

Polen auf Niveau der Griechen

Arbeiterkammer-Ökonom Markus Marterbauer bereitet die Entwicklung Sorgen – aus mehreren Gründen. Wenn die Löhne nicht steigen, verlangsame sich das Aufholen gegenüber Westeuropa. „Das ist gefährlich für den europäischen Integrationsprozess, wenn das Versprechen der Konvergenz nicht mehr gewährleistet ist“, so Marterbauer, der darin einen Auftrag an die österreichische EU-Ratspräsidentschaft sieht. Der Wohlstand (BIP pro Kopf) in Bulgarien habe sich seit dem EU-Beitritt nur von 40 auf 50 Prozent des EU-Durchschnitts angenähert. „Selbst Polen, das eigentlich ein Frontrunner ist, hat mittlerweile nur das Niveau von Griechenland erreicht“, sagte Marterbauer.

Auch für Österreich wäre es gut, wenn die Partnerländer rascher vorankommen. Mit höherer Kaufkraft wären diese Länder für rot-weiß-rote Produkte und Dienstleistungen noch attraktiver. Und es würde den heimischen Arbeitsmarkt entlasten: „Wenn die Löhne rascher steigen, ist es attraktiver, in diesen Ländern zu bleiben.“ Vor allem junge Osteuropäer wandern in der Aussicht auf höhere Verdienstmöglichkeiten aus. Laut Eurostat-Daten wird bis zum Jahr 2045 die arbeitsfähige Bevölkerung in den Ländern der Region noch einmal um 15 bis 30 Prozent schrumpfen.

Höhere Löhne verkraftbar

Für die Wettbewerbsfähigkeit wären höhere Löhne hingegen verkraftbar, sagte Holzner. Man spreche immer noch von „Stundenlöhnen von sechs, sieben Euro“. Und abgesehen von Rumänien wiesen alle Länder einen klaren Überschuss in der Leistungsbilanz auf – das ist ein Signal für eine hohe Produktivität.

Kommentare