Wer zum ersten Mal nach Neuhaus kommt, der wundert sich. Wieso stehen mitten im Zentrum dieses kleinen Ortes im Wienerwald gewaltige Gründerzeitpaläste, wie man sie aus Wien kennt? Bis vor ein paar Jahren gab es auch eine Rollschuhhalle, eine Art Parkanlage kann man noch heute erahnen. Dass es im Ort auch einen Teich und zahlreichen Villen gibt, sieht man erst auf den zweiten Blick.
Kleinod
Nur 30 Minuten mit dem Auto oder 30 Kilometer vom Wiener Stadtrand entfernt liegt dieses Kleinod, das heute kaum jemand kennt, früher aber einen großen Namen hatte. Welche Perle schlummert hier im Wienerwald? Die erste Blüte hatte Neuhaus, das damals noch „Neuhaus im Wienerwald“ hieß, um 1900. Simon Graf Wimpffen, Spross einer schwerreichen ungarischen Adelsdynastie, startete einen groß angelegten Ausbau.
Sein Kalkül: Neuhaus war mit der Bahn von Wien nach Weißenbach an der Triesting und weiter per Kutsche schon damals gut erreichbar. Und damit die ideale Sommerfrische vor den Toren Wiens, mitten im Grünen. Eine mittelalterliche Burg und eine Kirche waren bereits vorhanden. Es folgten drei Hotels, ein Gasthaus, ein Kaffeehaus, 37 Villen, die die Gäste mieten konnten, Kur- und Wasserheilanstalten und ein Glassalon als große Veranstaltungshalle. Weiters gab es eine Parkanlage, Springbrunnen, Musikpavillons und Tennisplätze. Auch eine Rollschuhhalle wurde errichtet, doch sie wurde bald wieder geschlossen, weil sich viele Gäste bei dem damals modernen Sport die Knochen brachen. Ruhiger ging es am Teich zu, dort konnte man Boote mieten und in das Freibad gehen.
Alltag entkommen
Im Lauf der Jahre entwickelte sich der Ort zu einem mondänen Kurort, sogar der Kaiser und Erzherzöge gaben sich ein Stelldichein. Es wurde ein täglicher Shuttle-Bus zwischen Wien und Neuhaus eingerichtet, die Haltestelle war vor dem Burgtheater, erzählt Franz Gober, Obmann des Vereins Burg Neuhaus: „Die Leute haben all das genutzt, um dem Alltag des Stadtlebens zu entkommen.“ Wer es sich leisten konnte, blieb den ganzen Sommer und mietete sich mit der Familie in einer der Villen ein. „Neuhaus war damals ein Zentrum für jene, die Erholung im Grünen suchten“, sagt Gober.
1925 starb Simon Graf Wimpffen, sein Nachfolger und Neffe Georg hatte wirtschaftlich nicht so ein glückliches Händchen, dennoch ging der Betrieb weiter. Der Niedergang kam erst mit dem Jahr 1938, als die deutsche Wehrmacht in den Ort kam und die deutschen Reichsforste die Burg und die Hotels übernahmen. Richtig schlimm kam es für Neuhaus im April 1945. „Ende des Zweiten Weltkriegs gab es einen intensiven Kampf um Neuhaus“, sagt Gober.
Der Ort war eine wichtige Schlüsselposition für die Deutschen gegen die vorrückende Rote Armee und lag auf einer der letzten offenen Fluchtrouten aus dem zunehmend umschlossenen Triestingtal. 20 Tage lang tobten die Kämpfe, ehe die Wehrmacht abzog. Die Burg wurde durch die Kämpfe schwer in Mitleidenschaft gezogen und ging 1955 an die Österreichischen Bundesforste. Auch die Hotels und viele Häuser im Ort waren beschädigt. Die Villen wurden von Privaten gekauft, nach und nach löste sich die Ferienanlage auf und geriet in Vergessenheit.
Große Pläne
Seit Mitte der 70er-Jahre engagiert sich die Industriellen-Familie Starlinger-Huemer, die mit Anlagen zur Erzeugung gewebter Kunststoffsäcke ein Vermögen gemacht hat, in Neuhaus. Zuerst wurden die Vorburg und der äußere Burghof übernommen, später die historischen Hotels und andere Gebäude. Unternehmenschef Franz X. Starlinger-Huemer habe mit dem Ort viel vorgehabt, hört man. Leider sei er 2002 verstorben, die große Wiederauferstehung sei ausgeblieben.
„Es ist noch sehr viel von der alten Substanz da, man sollte mehr daraus machen“, wünscht sich ein Neuhauser. Zwar sei einiges hergerichtet worden, doch wäre noch viel mehr drin. Kritisieren will die Familie deshalb aber keiner, der Respekt ist zu groß: „Starlinger gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region, ohne ihn würde es bei uns ganz anders aussehen“, so der Neuhauser.
Was der Ort noch vertragen könnte? „Mehr Gastbetriebe und Einkaufsmöglichkeiten bräuchte man, wenn man touristisch mehr machen will“, sagt Gober. In den 60er-Jahren habe es noch drei Gasthäuser gegeben, jetzt existiert nur noch ein Imbiss-Kaffee. Zu sehen gibt es in der Gegend genug, den Peilstein, die Steinwandklamm, die Araburg, das Kloster Kleinmariazell und noch viel mehr.
Der Verein Burg Neuhaus tut alles, um die Burg zu revitalisieren und Besucher in den Ort zu holen. Nach und nach wurde die Burg restauriert und als Kultur- und Veranstaltungszentrum genutzt – eine Regionalförderung der EU und viel persönliches Engagement der Neuhauser machte das möglich.
Perspektive
Mehr aus den historischen Gebäuden herauszuholen ist nicht so einfach. Ohne wirtschaftliche Perspektive will Angelika Huemer, Geschäftsführerin des Maschinenbauunternehmens Starlinger und heutige Eigentümerin der Gebäude, kein Geld hineinstecken: „Wir hatten ein Gesamtkonzept und wollten ein Seminarzentrum machen.“ Es stellte sich allerdings heraus, dass es dafür zu wenig Zimmer gab. Also hat sie begonnen, das ehemalige Curhotel D’Orange zu sanieren. Rund fünf Millionen Euro hat sie investiert, 35 schöne Wohnungen sind darin entstanden, so Huemer.
Ihre Idee war, statt Wochenendhäusern Wochenendapartments anzubieten. „Nach einem schönen Wochenende fährt man nach Hause, macht hinter sich die Tür zu und muss sich um nichts kümmern.“ Derzeit werden die Wohnungen vermietet, doch das ist nicht einfach. Gleich daneben hat die Genossenschaft Wien Süd günstigere Wohnungen errichtet. Der Glassalon wurde inzwischen ebenfalls restauriert. In dem teils historischen, teils modernen Ambiente finden Events wie Hochzeiten und Seminare statt.
Magnet
„Ich möchte nach und nach sanieren, als Nächstes aus dem ehemaligen Café Neuhaus Lofts machen und diese als Eigentum verkaufen“, erzählt Huemer. Aus dem Hotel Stephanie wollte sie eine Musikschule machen. Das wäre ein toller Magnet geworden und hätte gut in den Ort gepasst. Wegen eines politischen Hickhacks sei daraus aber nichts geworden.
Derzeit gibt es Pläne für Wohnungen. Der Park, der ebenfalls der Familie Huemer gehört, wird derzeit öffentlich genutzt. Um den Ort zu beleben, müsste zumindest noch ein Café öffnen, schön wäre auch ein Bauernmarkt zwei bis drei Mal pro Woche, meint Huemer. Und wenn jemand aus dem Hotel Stephanie wieder ein Hotel machen wolle oder eine andere gute Idee habe, dann könne man jederzeit darüber reden.
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