Nach Corona wieder lokal statt global?

Nach Corona wieder lokal statt global?
Agenda Austria mit leidenschaftlichem Plädoyer gegen neuen „Wirtschaftsnationalismus“

Kommt nach „America first“ jetzt „Europa zuerst“? Ist die regionale Wirtschaft nicht der beste Schutz gegen die nächste Pandemie?

Das gescheiterte Handelsabkommen mit den USA (TTIP), das Gezerre um den Brexit und nun die Corona-Krise haben die längst beendet geglaubte Debatte über Sinn und Unsinn der Globalisierung neu entfacht.

Die einen wollen die Abhängigkeit von China und anderen asiatischen Ländern z. B. im Medizinbereich reduzieren. Andere forcieren europäische wie österreichische Plattformen und Kaufhäuser, um die Marktübermacht von Google, Facebook, Amazon & Co zu brechen. Und wieder andere sehen im „Reshoring“, also dem Zurückverlagern von Produktionen und Betrieben aus dem Ausland, die klar krisenfestere, weil lokale Lösung.

„Das ist nichts anderes als Wirtschaftsnationalismus. Die protektionistischen Bestrebungen sind eine Gefahr für Frieden und Wohlstand in Österreich“, sagt Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz. Gemeinsam mit Kollegen zeigt er in einer 40-seitigen Arbeit des wirtschaftsliberalen Thinktanks, wie stark Österreich vom freien Welthandel profitiert – ohne dabei negative Entwicklungen (Klima, Arbeitsmarkt etc.) zu übersehen. „Wir müssen die Globalisierungsverlierer besser abfangen und ihnen mit Aus- und Weiterbildung neue Perspektiven geben, um die Akzeptanz der Globalisierung zu erhöhen“, sagt Lorenz.

Jeder zweite Arbeitsplatz

Auf der Seite der Gewinner stehen für den Studienautor Wirtschaft und Konsumenten gleichermaßen. Österreich lebe zu 56 Prozent vom Export seiner Waren und Dienstleistungen. Jeder zweite Arbeitsplatz sei hierzulande direkt über Exporte oder indirekt über Zulieferer abhängig vom Außenhandel. Und auch importseitig profitieren die Österreicher von günstigen Preisen und konsumieren international, ob Lebensmittel, Bekleidung oder das neue Smartphone. Dasselbe gelte für die digitale Welt, sagt Lorenz: „Facebook, Twitter und Instagram gehören für viele zum Alltag – auch ohne das Gütesiegel Made in Austria.“

Vielmehr hätten die fortschreitende Globalisierung und die Einbindung Österreichs in weltweite Lieferketten dem Durchschnittsbürger zwischen 1990 und 2018 einen jährlichen Wohlstandsgewinn von knapp 1.270 Euro beschert, zitiert Lorenz eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. „Freihandelsgegner ignorieren das: Der Außenhandel stärkt die Kaufkraft niedriger Einkommen besonders stark.“

Ressourceneinsatz reduzieren

Aber was ist mit dem Klima? Was mit dem belegten Zusammenhang zwischen Globalisierung, Wirtschaftswachstum und -Ausstoß? Muss man als klima-besorgter Mensch nicht zwangsläufig gegen den Umweltraubbau im Gefolge der Globalisierung auftreten?

Das Argument kennen die Studienautoren natürlich, es handle sich aber um „eine Seite der Medaille“. Denn: „Durch die Globalisierung und die internationale Zusammenarbeit gelingt es, neue, saubere und effizientere Technologien in aller Welt einzusetzen, die wiederum sparen. Teilweise ist der internationale Handel und damit die kostengünstige Produktion von erneuerbaren Energien sogar Voraussetzung für deren Etablierung“, heißt es in der Studie.

Und ja, es werde „ganz essenziell“ sein, zu einem Wirtschaftswachstum mit geringerem Ressourceneinsatz zu kommen. Aber klar sei auch, dass der Klimawandel an Staatsgrenzen nicht halt mache. Auch das sei also ein Argument für mehr, statt für weniger internationale Zusammenarbeit.

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