London: Wohnen in der Schuhschachtel

Ein kleines Studio-Apartment mit Küchenzeile und einem Bett.
Ein Ende der Preisanstiege wird zwar ständig vorhergesagt, ist aber noch nicht in Sicht. Experten warnen vor einer Preisblase.

Der Immobilienmarkt in London zeigt immer skurilere Auswüchse. Nachdem vor kurzem ein Penthouse im Stadtteil Knightsbridge um umgerechnet 170 Millionen Euro verkauft worden ist, wurde nun ein kleines Zimmer für 900 Euro im Monat vermietet. Das berichtet der britische Guardian (zum Artikel) und schreibt von „Schuhschachtel-Verhältnissen“. In dem kleinen Raum befindet sich eine Küchenzeile, ein Kasten und eine Matratze. Freier Raum zum Bewegen ist kaum vorhanden. Dusche und WC sind immerhin separat.

Trotz der beengten Verhältnisse gab es rund 40 Interessenten. Nach wenigen Stunden war das Appartement vermietet. Das zeigt die extreme Nachfrage nach Wohnraum in der britischen Hauptstadt. Laut der größten Bausparkasse des Landes Nationwide lagen die Hauspreise im Mai 11,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Dies ist der stärkste Zuwachs seit Mitte 2007, also kurz vor Ausbruch der Finanz- und Immobilienkrise. Im Monatsvergleich erhöhten sich die Häuserpreise im Mai um 0,7 Prozent und damit zum dreizehnten Mal in Folge. Der durchschnittliche Preis eines Hauses stieg inzwischen auf einen neuen Rekordwert von 230.000 Euro. Ein Ende der Preisanstiege wird zwar ständig vorhergesagt, ist aber noch nicht in Sicht.

Hilfsprogramm "Help to Buy"

Auf der einen Seite ist die Nachfrage nach Wohnraum im Großraum London ungebrochen. Auf der anderen Seite warnen Experten warnen vor einer Preisblase. Die rasant steigenden Preise können nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Erholung der britischen Wirtschaft gefährden. Es gebe einige typische Zeichen für eine Kreditblase, warnte der IWF am Freitag in London. Die englische Notenbank solle beizeiten regulierend eingreifen, um das Finanzsystem stabil zu halten, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde. Hilfsprogramme wie "Help to Buy", die auch Haushalten mit niedrigerem Einkommen ein Darlehen für den Hauskauf ermöglichen, müssen aus IWF-Sicht möglicherweise abgeändert oder vorzeitig beendet werden. In ihrem Programm für die letzten Monate vor der Parlamentswahl im Mai 2015 hatte die Regierung am Mittwoch angekündigt, "Help to Buy" weiter zu fördern.

In dem nun bekannt gewordenen Fall wurden allerdings die Behörden aktiv. Paul Convery, ein Lokalpolitiker der Labour Partei, hat die Baupolizei eingeschaltet. Er vermutet illegale Wohneinheiten. Der Besitzer des Gebäudes, Andrew Panayi, streitet dies jedoch ab. Der Umbau des vierstöckigen Gebäudes in 40 Einzelapartments sei mit Zustimmung der Behörden erfolgt.

Kein Einzelfall

Laut Convery ist das Gebäude kein Einzelfall. Alleine in diesem Stadtteil gebe es hunderte ähnliche Fälle. Viele junge Leute, auch aus dem Ausland, seien betroffen. „Aber sie beschweren sich nicht, sondern nehmen die Kluft zwischen Qualität und Preis hin.“

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