Lohndumping in der Fernbus-Branche

"Auf der einen Seite will man die Grenzen möglichst dichtmachen, damit weniger Flüchtlinge hereinkommen. Auf der anderen Seite gibt es Forderungen, den Arbeitsmarkt weiter zu öffnen. So sollen Asylwerber unter dem Kollektivvertrag beschäftigt werden können. Das ist schon eine ziemlich absurde Diskussion." Roman Hebenstreit, Chef des Fachbereichs Eisenbahn in der Dienstleistungs- und Verkehrsgewerkschaft vida und ÖBB-Betriebsratschef, fordert zumindest die Einhaltung der bestehenden Regelungen des Anti-Lohndumping-Gesetzes und der EU-Entsenderichtlinie. Die SPÖ will letztere auf EU-Ebene ja verschärfen und verlangt etwa die Beschränkung der Entsendung auf ein Monat.
Wilder Westen
Hebenstreit: "Eine Verschärfung bringt ja nur etwas, wenn ich auch kontrolliere." Und genau das geschehe zumindest in einigen Bereichen kaum bis zu wenig. Als Beispiel nennt der Gewerkschafter die in ganz Europa boomende Fernbus-Branche, die auch in Österreich stark wächst. "In der Busbranche geht es inzwischen zu wie im Wilden Westen", schildert Hebenstreit.
Durch den massiven Wettbewerbsdruck der Anbieter seien bedenkliche Überschreitungen der Lenkzeiten auf der Tagesordnung, vorgeschriebene Ruhezeiten würden oft nicht eingehalten. In Extremfällen seien die – meist osteuropäischen – Fahrer drei Monate lang ohne ausreichend freie Tage unterwegs. Ebenfalls auf der Tagesordnung stünde "Lohndrückerei", die Lenker würden oft unter dem deutschen Mindestlohn bzw. dem in Österreich geltenden Kollektivvertrag bezahlt.
Mobile Arbeitsinspektorate
Kontrolliert würde, zumindest in Österreich, viel zu wenig. Hebenstreit: "Dafür bräuchte man mobile Arbeitsinspektorate, die gibt es aber nicht." Außerdem, argwöhnt der Gewerkschafter, sei man auch nur mäßig an Kontrollen interessiert: "Wer will schon 50 Passagiere auf der Autobahn stranden lassen, weil der Busfahrer die Ruhezeiten nicht eingehalten hat oder weil dieser illegal zu schlecht bezahlt wird."
Schärfere Strafen könnten hier etwas Abhilfe schaffen, glaubt Hebenstreit: "Wenn ich die Strafe aus der Portokasse zahlen und danach ungehindert weiterfahren kann, bringt das ja nicht wirklich etwas." Angesichts des großen Risikos für die Passagiere müsse man überlegen, Verstöße auch strafrechtlich zu ahnden.
Netzwerke
In der aktuellen Diskussion um den Verkauf der OMV-Gasnetz-Tochter Gas Connect warnt Hebenstreit vor dem Verlust der Kontrolle über so genannte systemrelevante Infrastruktur-Netze. Diese Kontrolle sei vor allem im Verkehr oder bei der Energieversorgung wichtig. Denn Netzunternehmen hätten auch sensible Aufgaben, die nicht ausschließlich Rendite-Überlegungen privater Eigentümer unterworfen sein dürften. Gas Connect etwa sei als "Marktgebietsmanager" für die Koordinierung und Organisation der Gasversorgung zwischen Lieferanten, Importeuren, Speicherunternehmen und Netzbetreibern verantwortlich.
Ein Beispiel für den Kontrollverlust bei einem wichtigen Infrastrukturnetz ist für Hebenstreit die Telekom Austria. Der Staat sei zwar noch beteiligt, bei der Führung des Unternehmens habe er aber nichts mehr mitzureden.
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