Kahlschlag bei Lenzing: Abbau von 600 Jobs beschlossen
Zusammenfassung
- Lenzing baut bis Ende 2027 insgesamt 600 Jobs ab, davon 300 in der Verwaltung bis Jahresende.
- Das Unternehmen verlagert Stellen ins Ausland, prüft den Verkauf des Werks in Indonesien und plant Einsparungen von mindestens 25 Mio. Euro jährlich ab 2026.
- Für 2025 werden Wertminderungen bis zu 100 Mio. Euro erwartet, während Investitionen von über 100 Mio. Euro bis 2027 an den Standorten Lenzing und Heiligenkreuz geplant sind.
Es ist nun beschlossene Sache: Der börsennotierte Faserhersteller Lenzing in Oberösterreich will 300 Jobs in der Verwaltung abbauen - davon 250 noch bis Jahresende - sowie 300 weitere im Lauf der nächsten zwei Jahre. Das teilte das Unternehmen nach der Aufsichtsratssitzung am Montag mit. Man wolle "vor allem die administrativen Funktionen von Lenzing schlanker und effizienter gestalten" und erwarte sich ab 2026 jährliche Einsparungen in Höhe von mindestens 25 Mio. Euro.
Die Abbauwelle sei "nur eine Verlagerung"
Die zweite Abbauwelle sei "nur eine Verlagerung", hieß es seitens des Unternehmens. Man wolle die "internationale Präsenz in Asien und Nordamerika stärken". Diese Internationalisierung gehe eben mit dem Abbau von 300 Stellen am Standort Lenzing bis 2027 einher. Zudem sei eine strategische Überprüfung der Produktionsstätte in Indonesien eingeleitet worden, die möglichen Optionen reichen bis hin zu einem Verkauf dieses Produktionsstandorts.
Die Wurzeln von Lenzing AG mit mittlerweile 7.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit reichen bis ins Jahr 1892 zurück, als der Industrielle Emil Hamburger in Lenzing in Oberösterreich begann, eine Papierfabrik zu betreiben. 1938 wurde die "Zellwolle Lenzing AG" gegründet und die Erzeugung von Zellstoff und Viskosefasern gestartet. Mit der Umbenennung in "Chemiefaser Lenzing AG" folgte man 1962 neuen Produktionsbedingungen.
1963 ging man dazu über, Chemikalien aus der Zellstofferzeugung zu recyceln. Lenzing-Modalfasern gibt es seit 1964. Mit dem Kauf der Lenzinger Zellstoff- und Papierfabrik hat das Unternehmen 1969 diversifiziert. 1984 kam dann die Namensänderung auf "Lenzing AG", zwei Jahre darauf wurde die Aktie an die Wiener Börse gebracht. Seitdem geriet das Unternehmen mehrmals in eine Schieflage, schaffte es jedoch immer wieder zurück in die Gewinnzone - nicht zuletzt wegen harten Sparprogrammen.
Wertminderungsaufwendungen für langfristige Vermögenswerte
Dementsprechend rechne man für 2025 mit Wertminderungsaufwendungen für langfristige Vermögenswerte in Höhe von bis zu 100 Mio. Euro. Das werde sich negativ auf den konsolidierten Betriebsgewinn (EBIT) und den konsolidierten Jahresüberschuss auswirken, habe jedoch keine Auswirkungen auf das EBITDA, das heuer "über dem Vorjahreswert" liegen werde. Für 2027 strebe man ein EBITDA von rund 550 Mio. Euro an, "sofern sich das Marktumfeld nicht verändert und geopolitische Stabilität herrscht", hieß es in einer Aussendung.
Zudem sei ein Investitionspaket für die Standorte in Lenzing und Heiligenkreuz geschnürt worden, das bis Ende 2027 Investitionen von über 100 Mio. Euro vorsieht.
Die Ankündigung des Stellenabbaus bei Lenzing hat sofort Reaktionen in der oberösterreichischen Landespolitik ausgelöst. Für Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner ist der Schritt bedauerlich. Er sichert betroffenen Mitarbeitern Unterstützung zu und hofft, dass Lenzing-Standorte durch die Maßnahme abgesichert bleiben.
Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner warnt vor dramatischen Folgen für den Industriestandort. „Wir verlieren nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Know-how und Innovationskraft.“ Er wirft der Regierung vor, Weichen falsch gestellt zu haben.
Landesrat Martin Winkler, der Vorsitzende der SPÖ Oberösterreich, ist überzeugt, dass Lenzing mit seinem Personalabbau einen strategischen Fehler begeht. „Damit wird viel Staub aufgewirbelt, aber kein Schritt in Richtung nachhaltiger Zukunft gesetzt.“ Verlagerungen komplexer Prozesse in Offshore-Zentren scheiterten oft an Ausbildungserfordernissen und mangelnder Flexibilität bei Abläufen.
„Im Endergebnis besteht ein hohes Risiko, dass man viel Geld für wenig Ergebnisverbesserung ausgibt. Besser wäre es, die Prozesse in Lenzing zu optimieren und eine internationale Vertriebspartnerschaft anzustreben“, so der ehemalige Unternehmensberater.
Widerstand formiert sich
Die Nachrichten vom Job-Kahlschlag sorgen in der Belegschaft für Unverständnis. Die Betriebsräte kündigten Widerstand gegen die Einsparungspläne an. Bei einer Betriebsversammlung in Lenzing, an der rund 1.000 Beschäftigte teilnahmen, wurde eine Resolution zum Erhalt der Arbeitsplätze verabschiedet. „Die Beschäftigten haben das Unternehmen durch die Krise getragen“, sagt der stellvertretende Betriebsratschef Michael Bichler.
Jobs abzubauen oder Verwaltungsjobs ins Ausland, vermutlich nach Indien oder Tschechien, zu verlagern, sei „kurzsichtig“, denn „langfristig werden die externen Kosten für Fremdleistungen explodieren“, ist er überzeugt. „Wir brauchen Investitionen am Standort und nicht jedes halbe Jahr ein neues Kostensenkungsprogramm“, das schließlich auch Kapazitäten binde. Für die Betroffenen sei ein „sehr guter Sozialplan“ ausverhandelt worden, so Bichler, der den Jobverlust abfedern könne. Aber dennoch sei für die Kollegen „die Lebensgrundlage gefährdet“.
AMS Oberösterreich: "Größter Transformationsprozess, den die Industrie je gesehen hat"
Beim AMS Oberösterreich bereitet man sich schon auf die betroffenen Lenzing-Beschäftigten vor. Im Rahmen des Sozialplans stehe über die Vermittlung hinaus ein Bündel an Maßnahmen – von Qualifizierungsangeboten, Neu-Orientierungen bis hin zu Outplacement-Stiftungen zur Verfügung, sagt der stellvertretende AMS-OÖ-Geschäftsführer Markus Litzlbauer dem KURIER.
Die Jobsuche in der Industrie gestaltet sich derzeit schwierg. Ende August gab es beim AMS Oberösterreich 6.228 Arbeitslose im Bereich der Herstellung von Waren. Zugleich waren 2.422 offene Stellen gemeldet. „Wir erleben aktuell den vielleicht größten Transformationsprozess, den die Industrie in Oberösterreich je gesehen hat“, sagt Litzlbauer. Die exportorientierte Branche spüre geopolitische Verwerfungen wie den Krieg in der Ukraine oder die US-Zollpolitik stärker als das in anderen Bundesländern der Fall sei. „Wie sich diese Entwicklung fortsetzt, ist schwer abzuschätzen“.
Aufwärtstrend trotz Verwerfungen durch die Zollpolitik der USA
Die Lenzing-Gruppe vermeldete zuletzt trotz der Verwerfungen durch die US-Zollpolitik einen leichten Aufwärtstrend. Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr gegenüber der ersten Hälfte 2024 um 2,3 Prozent auf 1,34 Mrd. Euro. Unterm Strich stand ein Gewinn von 15,2 Mio. Euro, nach einem Verlust von 65,4 Mio. Euro im Vorjahreshalbjahr.
Lenzing verarbeitet Holz zu Zellstoff und stellt daraus Fasern für die Bereiche Mode, Handel, Industrie, Kosmetik und Hygiene her. Hauptaktionär der Lenzing AG ist die heimische Industrieholding B&C, die 37,25 Prozent hält. Die B&C-Gruppe wurde im Jahr 2000 von Bank Austria und Creditanstalt gegründet. 2024 gab die B&C ihre Mehrheit an Lenzing ab, der brasilianische Zellstoffkonzern Suzano übernahm einen 15-Prozent-Anteil. Suzano hat eine Kaufoption auf weitere 15 Prozent bis zum Jahr 2028. 6,97 Prozent gehören der US-Investmentbank Goldman Sachs, 40,78 Prozent der Lenzing-Aktien sind in Streubesitz. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Lenzing-Aktienkurs um mehr als ein Viertel eingebrochen.
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