Waterdrop-Gründer: "Das Ziel war immer, relevant zu werden"

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Wie das Wiener Start-up Kunden zurückgewinnen will, die schon beim Probeschluck abgesprungen sind.

Zwölf Minuten braucht der Fingernagel-große Würfel in der Sorte „Cherry Boost“, um sich vollständig aufzulösen. Das rot leuchtende Wasser kann danach ohne Umrühren getrunken werden. Und schmeckt – manchen mehr, manchen weniger. „Das ist ganz normal“, nimmt es Waterdrop-Co-Gründer Henry Murray gelassen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass jemandem alle schmecken, ist gering.“ Wer sich durchprobiert, würde aber einen Geschmack finden, „der einem taugt“, verspricht er dem KURIER bei einem Besuch im Headquarter in Wien-Favoriten. Doch wie bringt man Kunden dazu, sich an den zweiten Probeschluck zu wagen, wenn der erste nicht überzeugte?

KURIER: Die Idee zu Waterdrop entstand vor zehn Jahren. Wie gut war sie, rückblickend betrachtet?

Henry Murray: Wir sagen immer, dass die Idee nur ein Prozent ist und 99 Prozent die Ausführung. Die besten Ideen wirken im Nachhinein immer ganz einfach und wir glauben, dass Waterdrop genau so eine Idee war, wo man später sagt: Das hätte es eigentlich schon viel früher geben können.

Wo stehen Sie geschmacklich heute? 

Auf das erste Produkt, das wir gelauncht haben, waren wir sehr stolz. Aber es war fast schon zu viel verlangt von unseren Konsumentinnen und Konsumenten, ein abgefülltes Getränk damit auszutauschen, weil wir vom Geschmacksprofil nicht herangekommen sind. Ich würde sagen, seit zwei, drei Jahren haben wir wirklich konkurrenzfähige Geschmäcker entwickelt. So wie den Eistee, den Sie gerade trinken.

Was macht Sie so sicher? 

Wir machen oft Blindverkostungen und mischen konventionelle Getränke dazwischen. Kunden können oft nicht unterscheiden, was zuckerhaltig oder zuckerfrei ist. Und was aus einem Waterdrop gemacht und was abgefüllt wurde. Das gibt uns die Zuversicht, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Aber wir sehen unser Produkt, auch wenn wir ein klassischer Konsumgüter-Hersteller sind, als Tech-Produkt. Weil es immer die nächste Version nach der nächsten Version gibt und wir sehr iterativ und kontinuierlich das Produkt verbessern.

Wie gewinnen Sie Kunden zurück, die nach der ersten Version entschieden haben: Schmeckt nicht. 

Für ein Getränk wie unseres sind Sampling, Try und Word of Mouth (Probe, Ausprobieren und Mundpropaganda, Anm.) die wichtigsten Kanäle. Was wir mittlerweile machen, ist Starterpakete anzubieten. Im besten Fall kommt man in einen Store, kann sich durchprobieren. Es geht darum, immer das Neueste und Beste in die Hände der Leute zu bekommen, und nicht das Produkt, das sie vielleicht vor sieben Jahren probiert haben.

Ist das der Hintergrund der Store-Strategie? 

Auf unseren Store-Kanal sind wir sehr stolz, weil es für ein Getränk sehr unüblich ist, eigene Geschäfte zu haben und die auch nachhaltig zu betreiben. Einerseits sind sie natürlich eine Möglichkeit, Kundinnen und Kunden das Produkt probieren zu lassen, wenn sie schon neugierig sind. Andererseits haben sie auch eine für uns wichtige Vertrauenslogik. Sie sind das Zuhause der Marke, wo man hingehen, sie sehen, spüren kann. Wir haben im Digitalbereich begonnen, da gibt es kein Zuhause.

Mittlerweile betreiben Sie über vierzig Stores weltweit. Von Tokio bis nach Los Angeles. Wie geht es weiter?

Wir haben nicht vor, mit Stores ein gesamtes Retail-Netzwerk abzubilden, wie das vielleicht andere Marken machen. Unsere Handelspartner sind extrem wichtig und da, wo die Kunden auch shoppen. Das ist in den lokalen Supermärkten, Drogeriefachmärkten und auf Online-Plattformen. Die Stores sind immer nur ein begleitender Faktor, etwa wenn wir in neue Märkte hineingehen.

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Bis zu zehn waterdrop-Microdrinks trinkt Co-Gründer Henry Murray pro Tag.

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Die Zentrale in Wien-Favoriten

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Waterdrop

Co-Gründer und CMO Henry Murray

Abgesehen von den Stores investiert Waterdrop viel in die Vermarktung, ist u. a. offizieller Partner der Australian Open. Was bringt das an Geschäft zurück? 

Entweder ist ein Unternehmen groß, funktioniert und macht einen Impact – oder nicht. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel investiert, unsere eigene Produktion gebaut. Es war immer das Ziel, relevant zu werden. Das Schöne ist: Wir arbeiten in einer 600 Milliarden Dollar schweren Industrie, da sind unsere 150 Millionen Euro Umsatz eigentlich gar nichts.

Brauchen Sie wieder frisches Kapital? Zuletzt gab es 2022 eine große Finanzierungsrunde mit 60 Millionen Euro.

Bevor wir Kapital nutzen, hinterfragen wir, wofür wir es brauchen. Bei Produktionskapazitäten lässt sich das ab einer gewissen Größe auch mit Banken machen. Oder geht es darum, das Wachstum zu beschleunigen, etwa weil am Markt viele neue Konkurrenten sind und eine Dynamik entsteht. Was wir uns also fragen, ist: Wie langsam kann ich wachsen und wie schnell muss ich wachsen? Wenn es nach uns geht, wachsen wir sehr nachhaltig, Jahr für Jahr und das profitabel.

Ist das so? Die Zahlen des Konzernabschlusses von 2023 und 2022 sind rot.

Man muss die ganze Gruppe betrachten und nicht Einzel-Gesellschaften. Für uns heißt profitabel, dass wir de facto Cash positive sind, also ein positives EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern, Anm.) aufbauen. Aber wir sind keins von diesen Unternehmen, die schon 20 Prozent EBIT machen können, das ist noch ein sehr langer Weg. Für uns ist wichtig, nicht abhängig vom Finanzmarkt oder von Geldgebern zu sein. 

Wie viel Druck üben Investoren aus?

Wir haben ein super Zusammenspiel aus Shareholderinnen und Shareholdern, die sehr langfristig denken. Und haben keine Venture Capital Fonds drinnen, die uns sagen können, zu verkaufen. Das heißt, es ist sehr langfristig ausgerichtet und kann noch viele Jahre so weitergehen. 

Müssen Sie, um zu wachsen, das Sortiment erweitern? 

Die kurze Antwort ist: Ja. Es kommt sicher noch sehr viel Innovation von uns, aber wir werden jetzt keine Müsliriegel machen. Wir bleiben beim Thema Trinken, wollen das in der richtigen Geschwindigkeit machen. In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass wir teilweise zu schnell waren. Aber eigentlich kann man Innovation nur in einem gewissen Tempo zulassen. In einem, das Sinn macht für die eigene Organisation und für die Kundinnen und Kunden.

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