Bankmanager Treichl: "Da ist eine Spannung zwischen Menschen und Unternehmertum"

Ramin Hasani forschte jahrelang im Bereich Künstlicher Intelligenz an der TU Wien. Auch Mathias Lechner war an dieser Hochschule, machte dort seinen Master-Abschluss. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, war nicht auf ihrem Radar. Sie wollten in der Forschung bleiben, vielleicht einmal einen Nobelpreis gewinnen, erzählt Hasani im Juli 2025 dem brutkasten. Bis sie nach Amerika gingen, ans MIT in Boston.
Dort warfen Investoren mit Angeboten in Millionenhöhe um sich, obwohl es noch nicht einmal eine Firma gab, in die man hätte investieren können. Also ließ man sich umstimmen. 2023 gründeten sie das KI-Unternehmen Liquid AI. Keine zwei Jahre später, es ist 2024, sicherten sie sich ein Investment von 250 Millionen Dollar und eine Bewertung, die die Zwei-Milliarden-Dollar-Marke knackt.
Es ist diese Erfolgsgeschichte, die Markus Raunig vom Thinktank Austrian Startups dem KURIER diese Woche erzählt. Aber er erzählt sie nicht, weil der Stolz so groß ist, dass die Gründer österreichische Wurzeln haben. Sondern weil hier (wieder einmal) eine Chance verpasst wurde, außergewöhnliche Menschen in Österreich fürs Gründen zu begeistern. „Da müssen wir jedenfalls eine Trendwende hinbekommen“, sagt Raunig. Doch die angestrebte Trendwende braucht nicht nur die Start-up-Welt, stellt er klar. Der Zugang zum unternehmerischen Denken allgemein müsse sich in Österreich ändern und das schnell.
Den Gründergeist anregen: aber wie?
Zwei Drittel der österreichischen Millennials sollen laut Studien überzeugt sein, dass Unternehmer keinen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten, mahnt Raunig. Die Gründungslust ist nicht nur eingeschlafen, sondern verharrt im Europa-Vergleich auf den untersten Plätzen, wenn nicht sogar auf dem letzten. Und wenn gegründet wird, dann klein (Österreich ist ein EPU-Land), mit vergleichsweise wenig Risiko und kaum Wachstumsorientierung. Was es braucht, ist ein Kulturwandel. Den will jetzt die neue Stiftung Unternehmerische Zukunft herbeiführen, die sich am Mittwoch vor Journalisten vorgestellt hat.
Die Stiftung ist eine Allianz von 50 namhaften Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die endlich (Anläufe gab es ja schon genug) ein positives Bild von Unternehmertum in Österreich verbreiten will.
- 50 Mitglieder fasst die Stiftung. Sie ist offen, nimmt also neue Mitglieder auf. Ende Oktober gibt es ein zweites Closing für neue Stifter.
- Ziele: Bildung (Jugendlichen erste eigene Projekte ermöglichen), Aktivierung (hoch qualifizierte Erwachsene fürs Gründen begeistern) und Wahrnehmung (positives Bild von Unternehmertum).
- Eine Million Euro Kapital wurde bislang gesammelt. Das Finanzierungsmodell beruht auf Spenden und Pledges von Start-ups (Versprechen, einen finanziellen Beitrag zu leisten).
Der wirtschaftliche Nutzen von Unternehmensgründungen ist längst wissenschaftlich belegt. Monika Köppl-Turyna, Vorstandsmitglied der Stiftung und Direktorin des EcoAustria-Instituts, verweist auf eine hauseigene Studie, wonach Österreich ein BIP-Plus von fast zwölf Milliarden Euro verzeichnen könnte, wenn es in der Gründungsdynamik aufschließen würde.
Der Weg dorthin ist weit, weiß Bankmanager und Stiftungsbeirat Andreas Treichl. „Da ist eine Spannung zwischen den Menschen und dem Unternehmertum, die von der Politik und der Öffentlichkeit jahrzehntelang betrieben wurde.“ Bis vor zwanzig Jahren wäre Österreich mit dieser Einstellung noch gut gefahren, Banken konnten die kaum vorhandene Kapitalmarktkultur ersetzen, so Treichl. Längst wäre das gekippt, „weil in allen neuen Industrien Bankfinanzierung in der Form nicht mehr möglich ist.“ Gab es in den alten Industrien, etwa im Bau- oder Automobilsektor, noch viel zu besichern, hätten neue Industrien kaum bis gar keine Sicherheiten anzubieten.
Wachstum zieht deshalb laut Treichl an Österreich vorbei, nicht zuletzt, weil auch die Unternehmer in Österreich den Weg zum Kapitalmarkt scheuen würden. „Sie verzichten auf Wachstum, um hundert Prozent Eigentümer zu bleiben. Wenn wir diese Einstellung nicht wegbringen, wird es in diesem Land irgendwann noch trauriger ausschauen als jetzt.“

Vorstandsmitglieder und Beiräte der neuen Stiftung Unternehmerische Zukunft: von links: Markus Raunig, Monika Köppl-Turyna, Hansi Hansmann, Lisa-Marie Fassl, Christian Trummer, Andreas Treichl.
Die ersten Initiativen
„Wir können nicht darauf warten, dass es die Politik richtet“, appelliert Fund-F-Gründerin Lisa-Marie Fassl, die im Vorstand der Stiftung ist. Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit kämen von Menschen, die gründen und aktiv sind. Statt dafür wertgeschätzt zu werden, wären sie aber „die Deppen der Nation“, formuliert es Fassl bewusst scharf. Dabei wird eine Sache gerne vergessen, ergänzt Investor und Beiratsmitglied Hansi Hansmann: „Ohne Unternehmer gibt’s keine Unternehmen. Und ohne Unternehmen gibt’s keine Arbeitsplätze, bis auf die wenigen, die der Staat führt.“
Eines der wichtigsten Stiftungsprojekte wäre deshalb, unternehmerische Bildung an alle Mittelschulen Österreichs zu bringen. Umgesetzt wird das mit „Youth Entrepreneurship Weeks“, in denen junge Menschen motiviert werden sollen, „nicht nur Passagiere des eigenen Lebens zu sein, sondern Piloten“, erklärt Markus Raunig. „Was der Schulskikurs für die Skination gemacht hat, wollen wir für Unternehmertum machen.“
Für Erwachsene soll wiederum das „Entrepreneurial Leadership Program“ ausgebaut werden. In diesem können Menschen mit Gründungsambitionen die Fühler ausstrecken, sich mit Gleichgesinnten vernetzen und letztlich vom Netzwerk profitieren. Denn den Wunsch zu gründen, haben viele, sagt Lisa-Marie Fassl, „vielen fehlt es nur an Wissen.“
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