"Planen Sie die Kinderkarenz"
KURIER: Was sind die häufigsten Fehler, die Frauen, die in Karenz gehen, machen?
Birgit Engel: Planlos in die Karenz zu gehen und nicht vorauszuschauen. Natürlich lässt man das Ganze auf sich zukommen. Wenn ein Kind kommt, stellt sich die ganze Welt auf den Kopf, es ist ein eigener Kosmos. Aber es ist eine Gratwanderung, wie viel man auf sich zukommen lässt und welche Punkte man planen sollte. Es ist wichtig, eine Work-Life-Family-Balance zu schaffen, zu definieren, wie man sich dort sieht.
Wieso gehen Frauen oft planlos an die Karenz ran?
Wir bereiten uns auf alles vor, machen für alles Pläne, machen alle möglichen Scheine und Befähigungsnachweise, nur interessanterweise für das Wichtigste und Entscheidendste im Leben nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass mit einem Kind alles anders ist und da muss man sich erst einmal zurechtfinden. Da schieben viele Frauen andere Dinge auf.
Wie soll man an eine Karenz herangehen?
Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere bedeutet, unterschiedliche Lebensbereiche aufeinander abzustimmen und zu kombinieren. Es ist wichtig, sich über Lebensweg, Karriere, Karenz Wiedereinstieg, Arbeitsmodelle, Kinderbetreuung, Work-Life-Family-Balance, rechtliche Rahmenbedingungen, partnerschaftliche Aufteilungen, finanzielle Einschnitte, Gedanken zu machen. Das sind wichtige Faktoren, die man zu Beginn abklären kann und soll.
Welche Ängste haben Frauen im Bezug auf Karriere und Familie?
Die größten Sorgen beziehen sich aufs Unternehmen: Sie fragen sich, ob sie wieder zurückkommen können, was sie verlieren, wie sie die Balance zwischen Kind und Job finden können. Ich war selber in der Situation, wusste nicht, ob ich zurückgehen werde, mich selbstständig mache oder das Unternehmen wechsle. Ich habe mich hingesetzt und einen Fahrplan erstellt.
Wie kann man die Karenz nützen?
Man sollte in der Karenz einen Check machen und darüber nachdenken, wo die Kompetenzen und die Stärken liegen, wo man hin will und welche Fortbildung sinnvoll ist – vielleicht sind es nur einzelne Kurse, vielleicht geht man aber auch zurück an die Uni.
Wie soll man die Schwangerschaft und alle Folgen mit dem Arbeitgeber besprechen?
Es kommt darauf an, wie das Unternehmen zu einer Schwangerschaft steht. Es gibt leider noch immer welche, die das als Ausschlussgrund sehen. Was sehr wichtig ist, ist der stressfreie Ausstieg, eine reibungslose Übergabe.
Wie gestaltet man so einen Ausstieg?
Man muss alles geregelt haben, mit dem Arbeitgeber vereinbart haben, wie man zueinander steht, wie die Projekte weitergehen, wann was an wen übergeben wird.
Geht sich das wirklich aus?
Es ist eine Organisationsfrage – Mütter können sich organisieren und gut planen – aber ohne Betreuungsnetz geht es nicht.
Frauen sind oft mit Karriere und Kind überfordert. Wie kann man das verhindern?
Frauen wollen überall perfekt sein und als Mutter und Businessfrau 150 Prozent geben. Dieser Anspruch ist legitim aber man kann nicht immer 150 Prozent geben: Wenn man mal nicht zu 150 Prozent für das Kind da ist, wird es das Kind verzeihen, wenn die Wohnung mal nicht aufgeräumt ist, ist das in Ordnung. Ebenso, dass man bei einer Besprechung nicht dabei ist. Aber Frauen haben oft ein schlechtes Gewissen deswegen. Man muss sich selbst verzeihen und davon Abstand nehmen, immer 150 Prozent zu geben. Muss Aufgaben abgeben, delegieren und Hilfe annehmen.
Begleiten Sie auch Männer in Karenz?
Natürlich. Leider sind es noch immer wenige – aber es werden mehr.
Birgit Engel wurde 1975 in Wien geboren, studierte Bildungs- und Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Psychoanalytische Pädagogik. Zwölf Jahre war sie beim ORF in der Produktion von Magazin- und Kindersendungen tätig. Sie ließ sich an der ESBA, der European Systemic Business Academy, zum systemisch-analytischen Coach und zur Bildungsberaterin ausbilden und machte einen Master of Science. 2009 machte sich Engel selbstständig und gründete das Origo Publishing Multimediahouse. Ihr Coaching, ihre Vorträge und die strategische Karenzplanung sind individuell ausgerichtet.
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