Nachhaltiges Wirtschaften zahlt sich aus, doch nur wenige setzen darauf

Nachhaltigkeit gilt weitgehend als Wettbewerbsvorteil – doch laut einer aktuellen Erhebung der Beratungsfirma EY setzen nur fünf Prozent der Unternehmen auf eine wirklich integrierte Strategie. Woran das liegt, erklärt Willibald Kaltenbrunner, Partner bei EY denkstatt.
KURIER: Herr Kaltenbrunner, was genau versteht man unter einer integrierten Nachhaltigkeitsstrategie?
Willibald Kaltenbrunner: Eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie bedeutet, dass ESG-Ziele nicht isoliert betrachtet, sondern systematisch in alle unternehmerischen Entscheidungen, Prozesse und Steuerungsmechanismen eingebettet werden – von „Supply Chain“-Themen über das Produktdesign bis zur Unternehmensfinanzierung.
Solche Firmen sollen einen starken Wettbewerbsvorteil haben.
Sie schneiden in allen zentralen Bereichen besser ab. Wirtschaftlich, reputativ und organisatorisch. Die Studie zeigt klar: Wer Nachhaltigkeit ganzheitlich umsetzt, ist resilienter, innovativer und erfolgreicher. Unternehmen mit starker Integration sind auch deutlich zuversichtlicher, ihre Wachstumsziele zu erreichen, sie haben ein robusteres Markenimage, eine höhere Mitarbeiterbindung und ein besseres Standing bei Investoren. Auch die operative Umsetzung – etwa bei Technologien oder Schulungen – ist wesentlich effektiver. Genau deshalb lohnt es sich, ESG systematisch ins Kerngeschäft zu integrieren.
Bislang haben das nur fünf Prozent der Unternehmen umgesetzt – wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
Oft fehlt es an klarer Governance, an Ressourcen oder am strategischen Schulterschluss zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. ESG wird vielerorts noch als Zusatzaufgabe gesehen, nicht als integraler Teil der Unternehmensführung.
Berichten Unternehmen von Hürden?
Viele nennen mangelnde Abstimmung im Führungsteam, fehlende Budgets oder unzureichende digitale Tools zur Messung und Steuerung. Zudem ist ESG-Wissen im Unternehmen oft nicht breit genug verankert.
Gab es überraschende Erkenntnisse?
Ja, etwa wie stark Nachhaltigkeitsinitiativen in Krisenzeiten unter Druck geraten: 81 Prozent der Aufsichtsräte würden sie zuerst kürzen. Auch das Ausmaß an Reputationsrisiken für Unternehmen ohne ESG-Verankerung war in dieser Deutlichkeit überraschend.
Wie schneidet Österreich im Vergleich zu anderen Ländern ab?
Österreichische Unternehmen gehören zwar geografisch zu den ESG-Vorreitern in Westeuropa, doch laut unseren Beobachtungen steht die systemische Verankerung hierzulande oft noch am Anfang. Viele Unternehmen arbeiten daran, Nachhaltigkeit vom Berichtspflicht-Thema zur echten Steuerungslogik zu entwickeln.
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