Eva Aschauer: Momentan ist das tatsächlich die Hauptherausforderung: einen Überblick zu bewahren. Was betrifft mich? Was sind Gerüchte? Was wurde beschlossen? Ich habe Verständnis für Unternehmen, die sagen, dass sie das Regulierungsthema jetzt gerade nicht mehr hören können.
Wen treffen diese vielen Veränderungen am stärksten?
Das mag vermessen klingen, aber am einfachsten ist es noch für große börsennotierte Unternehmen. Für sie ändert sich am wenigsten – obwohl die nationale Umsetzung der CSRD für sie noch ausständig ist. Sie haben ein umfangreiches Paket, das sie umsetzen müssen und dahingehend die meiste Klarheit. Für jene, die vor der Omnibusregulierung berichtspflichtig gewesen wären, ist es nun herausfordernder. Sie könnten der Verlockung nachgeben und in einen Dornröschenschlaf fallen. Nach dem Motto: Ich muss jetzt nichts mehr machen, also ist das Thema beendet. Aber so ist es nicht. Es ist komplexer und individueller geworden.
Inwieweit?
Der große europäische Mittelstand, die KMU, müssen zwar aus regulatorischer Sicht wenig tun, sich aber umso klarer darüber werden, was aus anderen Gründen notwendig ist. Früher durfte man davon ausgehen, dass, wenn man das umfangreiche Berichtspaket erfüllt, auch alle Finanzierungsthemen, die Vergabe oder die Wertschöpfungskette recht gut abgedeckt sind. Jetzt muss man sich um die einzelnen Fronten laufend kümmern.
Zurücklehnen kommt also nicht infrage?
Sowohl bei Banken als auch bei der Vergabe wird es Vorschriften in Bezug auf ESG geben. Zeitgleich mit den Omnibus-Deregulierungsthemen wurde auch der Clean-Industrial-Deal angekündigt. Wenn es auf EU-Seite Gelder für die grüne Transformation geben wird, stellt sich die Frage, was Firmen vorweisen müssen, um finanzierungsfähig zu sein: Einen CO2-Fußabdruck? Einen Code of Conduct? Damit Unternehmen rechtzeitig gerüstet und startklar sind, müssen sie weit vorausschauen – vor allem, weil das Sammeln der notwendigen Daten eine Frage von Monaten oder gar Quartalen ist.
Was ist Ihr Rat?
Es ist zwar herausfordernder, aber auch eine Chance. Firmen können die Ressourcen nutzen, um sich zu orientieren: Wer sind die Kunden, Stakeholder, Lieferanten? Was brauchen sie? Momentum und Fokus sind das Gebot der Stunde – ebenso wie Pragmatismus.
Beruht die Motivation hinter den ESG-Maßnahmen auf Verantwortungsbewusstsein – oder nur auf regulatorischen Pflichten?
Es gab schon lang vor den EU-Berichtspflichten Firmen, die ESG-Pioniere waren – und sie haben jetzt auch keinen Grund, etwas zu ändern. Sei es aus ihrer Marktposition, ihrem Selbstverständnis oder aufgrund ihres Wettbewerbsvorteils. Sie führen ihren Weg fort, behalten das Momentum bei und gehen Schritt für Schritt weiter.
Wird der Nachhaltigkeitsgedanke schwinden? Ich bin überzeugt: Auch wenn das Pendel hin und her schwingt, ist ESG auf dem Weg, ein integraler Bestandteil zu werden – sowohl der Unternehmensstrategie als auch des Geschäftsmodells. Wichtig ist, das Gesamtbild im Blick zu behalten und sich nicht von Re- und Deregulierungsmaßnahmen blenden zu lassen.
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