Wirtschaftspsychologe: "Macht senkt Empathie und Mitgefühl"

Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly
Wer die Mächtigen in einem Unternehmen sind, muss wohlüberlegt sein. Denn jede Macht kommt mit Nebenwirkungen, warnt Bestsellerautor Carsten Schermuly.

Macht ist ein Alltagsphänomen in Unternehmen – aber sie ist nicht immer da, wo sie sein soll. Davon ist Carsten Schermuly überzeugt. Der Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Berlin University erforscht, wie Macht in Organisationen verteilt wird. Heuer schrieb er darüber einen Bestseller, diese Woche sprach er in der Wiener Hofburg beim HR Inside Summit. Nach seiner Keynote trifft ihn der KURIER zum Gespräch. Sein Appell an Unternehmen ist klar: „Schauen Sie, ob die Macht da ist, wo sie hingehört.“ Doch wie lässt sich das erkennen? Und was passiert, wenn jemand zu mächtig ist?

So wirkt Macht

„Ich kann Macht im Einklang mit dem Interesse anderer Menschen einsetzen, aber auch im Widerstreben“, definiert Schermuly. Somit wäre Macht per se nichts Negatives, jedoch kommt sie mit Nebenwirkungen. Und zwar fast immer.

„Macht senkt Empathie und Mitgefühl“, sagt der Psychologe. Schon kleine Momente der Macht hätten große Auswirkungen, zeigt die Forschung. „Je länger Menschen in Machtpositionen wären, desto weniger empathisch sind sie.“ Außerdem würde Macht durch Dopaminausschüttung positive Gefühle erzeugen. „Macht macht abhängig“, fasst es Schermuly zusammen und ergänzt: „Das sollte man im Blick haben, wenn man versucht, Menschen Macht abzunehmen.“ Insbesondere in Unternehmen würden viele Entwicklungsprozesse scheitern, weil außer Acht gelassen wird, dass Menschen nicht gerne Macht abgeben. Machtverlust gilt es aufzufangen und zu managen.

Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly beim HR Inside Summit auf der Bühne

Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly  auf der Bühne des HR Inside Summits.

Weitere Effekte, die die Wissenschaft bei Mächtigen festgestellt hat: Sie reden länger und lauter, nehmen mehr Raum ein, handeln impulsiver, essen sogar ungestümer mit weiter geöffnetem Mund und ordnen andere Menschen schneller Stereotypen zu. „Man nimmt Gruppen als Masse wahr, screent sie eher aus der Perspektive der Nützlichkeit.“ Der stärkste und vielleicht schlimmste Effekt wäre jedoch, „dass Macht langfristig korrumpiert“, sagt Schermuly. 

„Menschen, die lange in einer mächtigen Position sind, nehmen sich mehr raus.“ Bedeutet: Sie würden eher in eine Keksdose mit der Aufschrift „für kranke Kinder“ greifen als andere. „Das ist relativ gut belegt.“ Sich deshalb von der Macht abzuwenden ist nicht ratsam, sagt Schermuly. Zum einen, weil es sinnlos ist (irgendwer hat immer die Macht, auch wenn man sich von jeglicher Hierarchie versucht zu trennen), zum anderen, weil sich Macht auch positiv nutzen lässt, wenn die richtigen Menschen sie innehaben.

Carsten Schermuly

Carsten C. Schermuly: „Die Psychologie der Macht.“ Haufe. 256 Seiten. 24,70 Euro

Die helle Seite der Macht

Unter verantwortungsbewusster Macht versteht Schermuly, wenn vernünftig mit ihr umgegangen wird. Wenn Mächtige regelmäßig reflektieren, Meinungen von anderen zulassen, mutig genug sind, Macht abzugeben.

„Positiv ist, wenn ich Menschen Einfluss gewähre und gleichzeitig etwas fordere. Wenn ich anderen helfe, sich mächtig zu fühlen – auch im Bereich der Selbstbestimmung.“ Doch genau da hätte Österreich ein Problem: „Leute werden machtlos in die Selbstbestimmung geschickt“, sagt er. Was der Professor damit meint? Unternehmen würden Mitarbeitenden Autonomie und Selbstbestimmung gewähren. Wirkliche Entscheidungsmacht oder Budgetverantwortung aber wird gehortet statt verteilt. „Das erzeugt Demotivation.“

Doch es gibt ein Mittel, um eine zu starke Machtkonzentration offenzulegen: das Macht-Organigramm. „In Organigrammen gibt es keine Machtinformation“, erläutert Carsten Schermuly. Jedoch müsse man, um Macht besser zu verteilen, sichtbar machen, wo sie liegt – schließlich befindet sie sich nicht automatisch in den obersten Ebenen. Wie sich ein solches Organigramm erstellen lässt?

Indem man Mitarbeitende einschätzen lässt, wer wie viel Macht innehat. „Da sieht man schnell, welche einzelnen Personen viel Macht haben und welche weniger.“ Und welche sinnvoll wären, mit mehr Macht betraut zu werden. Letztlich wäre Macht dann gut eingesetzt, wenn Unternehmen durch sie schnell und agil reagieren können – und so im Idealfall ihre Wirtschaftskraft stärken.

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