Rekordzahl 2025: Immer mehr österreichische Lehrlinge gehen ins Ausland

Seit 1995 können Lehrlinge in Österreich mit Erasmus+ während ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln. 2025 wurde jetzt ein Höchstwert verzeichnet, mit einem Plus von über 35 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2024. Warum das gut für den Wirtschaftsstandort Österreich ist, wie Auslandserfahrung für Lehrlinge in der Praxis aussieht und wie lange man bereit sein muss, sein Zuhause zu verlassen, verrät Jakob Calice. Er ist Geschäftsführer von Österreichs Bildungs- und Internationalisierungsagentur OeAD und u. a. für die Umsetzung von Erasmus+ in Österreich zuständig.
KURIER: 2025 wurde ein neuer Rekord bei Auslandsaufenthalten von Lehrlingen verzeichnet. Steigt der Andrang jährlich?
Jakob Calice: Der Andrang steigt spürbar. 2025 haben wir erstmals über 1.700 Lehrlingsaufenthalte im Ausland genehmigt – ein absoluter Höchstwert. 2024 waren es noch 1.254. Das zeigt: Nach dem pandemiebedingten Einbruch zieht die Nachfrage wieder kräftig an. Das liegt auch daran, dass wir die Fördersätze um rund 50 Prozent angehoben haben.
In Österreich befanden sich Ende 2024 insgesamt 106.452 Lehrlinge in Ausbildung – da sind 1.715 Lehrlinge mit Auslandserfahrung noch eine geringe Anzahl.
Verglichen mit den insgesamt 106.452 Lehrlingen in Österreich sind 1.715 Mobilitäten natürlich noch überschaubar. Aber genau das zeigt das enorme Potenzial. Durch gezielte Information, vereinfachte Organisation und finanzielle Unterstützung wollen wir die Zahl der Lehrlinge, die Auslandserfahrung sammeln, deutlich erhöhen. Bis 2027 wollen wir die Marke von 2.000 Auslandsaufenthalten jährlich erreichen. Es ist aber gleichzeitig auch nur ein Etappenziel. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass die Budgets für Erasmus+ ab 2028 weiter ausgeweitet werden sollen. Das müssen wir auch für Lehrlinge nützen.

OeAD-Geschäftsführer Jakob Calice über das Erasmus+ Programm.
Warum sind der OeAD, die Ministerien und die Wirtschaftskammer so interessiert daran, Lehrlinge Auslandserfahrung sammeln zu lassen?
Ein Auslandspraktikum bringt Lehrlingen nicht nur bessere Sprachkenntnisse. Sie lernen andere Arbeitsweisen kennen, gewinnen Selbstvertrauen und werden selbstständiger. Für Betriebe ist das ein klarer Gewinn – sie bekommen motivierte junge Leute zurück, die neue Ideen mitbringen. Gleichzeitig steigern wir die Attraktivität der Lehre insgesamt und tragen dazu bei, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das stärkt im Endeffekt auch den Wirtschaftsstandort Österreich.
Wann soll die Auslandserfahrung bestenfalls gesammelt werden? Zu Beginn der Ausbildung, am Ende?
Ideal ist es, wenn Lehrlinge im zweiten oder dritten Lehrjahr ins Ausland gehen. Dann haben sie schon genug Erfahrung, um sich einzubringen, und gleichzeitig noch Zeit, von den neuen Eindrücken für ihre weitere Ausbildung zu profitieren. Auf jeden Fall haben Lehrlinge die Möglichkeit bis nach einem Jahr nach dem Lehrabschluss Erasmus+ Aufenthalte zu machen.
Wie einfach oder schwierig ist ein Auslandssemester für Lehrlinge? Was müssen sie mitbringen, wie gut die Sprache des gewünschten Landes beherrschen?
Es ist nicht so aufwendig wie es klingt. Denn das Programm versucht hier maximal flexibel zu sein. Lehrlinge können zum Beispiel auch einfach nur zwei Wochen ins Ausland gehen. Das lässt sich deutlich leichter unterbringen als ein ganzes Semester. Der Einstieg ist also sehr einfach.
Wo wohnen die Lehrlinge, wie finanzieren sie den Aufenthalt?
Lehrlinge müssen sich nichts selbst suchen, sondern das wird alles von den Mittlerorganisationen wie etwa dem IFA organisiert. Finanziert werden Reise- und Aufenthaltskosten über Erasmus+. Zusätzlich gibt es finanzielle Unterstützung über die Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern. Die Unterkünfte reichen von Gastfamilien über Jugendwohnheime bis hin zu Apartments – je nach Projekt und Land.
In welchen Ländern kann Auslandserfahrung gesammelt werden? Wie lang sollte man bereit sein, dort zu bleiben?
Die Möglichkeiten sind breit: Alle EU-Länder stehen offen, ebenso Norwegen, Island, Liechtenstein, Nordmazedonien, Serbien und die Türkei. Seit 2021 sind sogar Aufenthalte weltweit möglich – somit geht hier auch noch Großbritannien, aber wir haben auch Lehrlinge, die nach Japan gehen. Dauer für Praktika: von 10 Tagen bis zu einem Jahr – in der Praxis dauern die meisten Aufenthalte ein paar Wochen.
Was haben Lehrlinge, die bereits ein Erasmus-Programm absolviert haben, rückgemeldet?
Lehrlinge erzählen von mehr Selbstbewusstsein, besserer Sprache, neuen Freundschaften und einem ganz anderen Blick auf ihren Beruf. Betriebe berichten, dass ihre Lehrlinge mit frischen Ideen und höherer Motivation zurückkommen. Für viele ist es ein prägendes Erlebnis, das den weiteren Berufsweg nachhaltig beeinflusst.
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