Eine Form von Liebe?
Ja, die Beziehung zu einer Firma kann intensiv sein, bestätigen die international renommierten Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel. Aus einer Unternehmensbeziehung baue man immerhin einen Teil der eigenen Identität und mitunter auch das eigene Selbstwertgefühl auf – speziell dann, wenn Leistung und Kompetenz dort ihre Anerkennung finden.
Gerade am Anfang, wenn man gefühlt den Traumjob gefunden hat, befindet man sich in einem verliebtheitsähnlichen Zustand, erklären die Experten: „Es ist eine Phase, in der das Kritikzentrum ausgeschaltet ist und die Empfindungen grundsätzlich rosarot gefärbt sind.“
So eine Verbindung kann an eine romantische Liebe erinnern. Wenn man sich beispielsweise rückbestätigt fühlt, wie in einer nährenden Partnerschaft oder umgekehrt: Wenn man sich für eine gelungene Beziehung „dehnt“. In der Psychologie beschreibt man damit die Bereitschaft eines Partners, offen für Veränderungen zu sein, Wachstum zuzulassen und sich auszuprobieren, um dem Partner entgegenzukommen, sagen die Experten. „Das ist eine Form, Liebe zu bekunden.“
Auf die Arbeit umgedacht, könnte man den Fleiß und die Mühe, die man in einen Job steckt, als eine Art Liebeserklärung interpretieren.
Das gebrochene Herz
„Zu einem Unternehmen entwickeln wir keine ganz so persönliche Verbindung wie in einer Partnerschaft“, lenken die Bösels aber ein. Deshalb sei das emotionale Tief auch nicht gleich stark, wenn etwas aus den Fugen gerät. Eine gewisse Traurigkeit empfindet man aber dennoch, wenn diese Job-Beziehung in die Brüche geht.
Dieser Herzschmerz habe oft mit Visionen zu tun, so die Bösels. Wie in einer romantischen Beziehung hätte man ein Ziel vor Augen, eine Vorstellung, die man erreichen wollte. „Wenn‘s dann nicht mehr klappt, sind wir traurig. Wir spüren den Verlust eines Teils unserer Identität. Einen Verlust des einstigen ‘Endlich-Sicherheit-und-Verbindung’-Gefühls.“
Je nachdem, wie sehr man sich in seiner beruflichen Tätigkeit verwirklichen konnte, seinen „Purpose“ gefunden hat und soziale Eingebundenheit gespürt hat, ist auch das Verlustgefühl stärker ausgeprägt, fügt Arbeitspsychologe Peter Radlingmayr hinzu.
Das bedeutet jedoch nicht, dass man jeden Job, dem man nachtrauert, auch „geliebt“ haben muss.
Rosige Retrospektive
Diese rückblickende Liebe zum Job stellt Radlingmayr jedenfalls infrage. „Die Sehnsucht nach einem vergangenen Job hat einen psychologischen Hintergrund. So funktionieren wir als Menschen“, erklärt er. Wir neigen dazu, Vergangenes zu verklären und es positiver in Erinnerung zu behalten, als es vielleicht war. Radlingmayr spricht von der „rosigen Retrospektive“. „Im Hier und Jetzt kennt man alle Details der Arbeit. Wie man sich fühlt, was stört und was nicht. Denkt man jedoch an einen alten Job zurück, wird alles viel abstrakter“, erklärt er.
Erlebt man den aktuellen Job eher negativ, kann das auch dazu führen, dass man die Vergangenheit mit positiven Emotionen überschreibt. Man beginnt zu vergleichen, im Sinne von: Der alte Job konnte mir das geben, was mir der aktuelle nicht gibt. Das Nachtrauern ist laut dem Arbeitspsychologen daher oft ein Hinweis darauf, „dass man momentan nicht glücklich ist und sein Glück in der Vergangenheit sucht.“
Aber wie geht man mit dieser Sehnsucht um, um abschließen zu können?
Richtig Abschied nehmen
Sabine und Roland Bösel raten zu einem Abschiedsritual – mit Fragen wie: Was nehme ich mit? Was lasse ich bewusst beim Gegenüber? Was ist gut gelaufen, was weniger? „Ein Abschied gelingt dort am besten, wo auch auf Beziehungsebene alles gut geklärt und abgeschlossen ist.“ Und bewusste Abschiede würden helfen, die neue Lebensphase willkommen zu heißen.
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