KURIER: Warum gibt man Fehler nur ungern zu - besonders als Chef?
Wladislaw Jachtchenko: Wir leben in einer fehlerfeindlichen Kultur, und das spürt man auf allen Ebenen. Angela Merkel hat in ihrem neuen Buch zum Beispiel keinen einzigen Fehler eingestanden. In Interviews sagte sie: „Ich habe keine gemacht.“ Das zeigt, dass nicht nur Eltern und Lehrer, sondern auch Vorbilder und Politiker diese Haltung vorleben. Wir lernen früh, dass Fehler etwas Negatives sind und unser Ansehen schmälern. Die Folge ist, dass man sie möglichst vermeiden will. Ein plötzlicher Fehlerkultur-Trend kann das nicht so schnell wieder lösen.
Warum sollte man Fehler zugeben – kann man sie nicht einfach unauffällig lösen?
Wenn Fehler nicht zugegeben werden, können sie oft gar nicht richtig gelöst werden. Unentdeckte oder vertuschte Fehler führen meist zu weiteren Fehlern. Und das Ganze hat auch eine psychologische Konsequenz: In einem fehlerfeindlichen Umfeld fürchten Mitarbeiter, für ihre Fehler bestraft zu werden. Das Ergebnis ist eine Kultur der Angst – ein Klima, in dem keiner arbeiten will.
Was können Führungskräfte tun?
Eine Führungskraft ist immer ein Vorbild – ob bewusst oder unbewusst. Lebt er einen positiven Umgang mit Fehlern nicht vor, machen es die Mitarbeiter auch nicht. Das bedeutet, dass nur die Führungskraft diese Dynamik durchbrechen kann und deswegen mit gutem Beispiel vorangehen muss.
Wie lebt man es richtig vor?
Idealerweise gibt die Führungskraft einmal pro Woche einen Fehler vor seinem Team zu. Das ist ein guter Kompromiss zwischen Schweigen und jeden Tag einen Fehler zuzugeben. Denn zu viele Fehler können auch für Führungskräfte kritisch sein – im Extremfall kann es sogar ihren Job kosten.
Wie sollte man Fehler machen? Wie geht man richtig damit um?
Die beste Lösung für das Unternehmen ist, Fehler so schnell wie möglich zu beheben und sie offen im Team anzusprechen. Danach macht man am besten in der Gruppe eine Fehleranalyse, um herauszufinden, wie sich ähnliche Fehler in Zukunft vermeiden lassen.
Führt eine positive Fehlerkultur nicht zu Nachlässigkeit?
Die Idee ist, nicht schlampiger, sondern besser zu arbeiten. Eine gute Fehlerkultur ist kein Freifahrtschein für Fehler. Als Führungskraft sollte man Mitarbeitern die Chance geben, einen Fehler ein zweites Mal zu machen – aber kein drittes Mal. Wenn ein Mitarbeiter jedoch siebzehnmal denselben Fehler macht, ist er für den Job schlicht nicht geeignet.
Wie macht eine gute Fehlerkultur Unternehmen innovations- und wettbewerbsfähig?
Innovation entsteht nicht automatisch mit der ersten Idee. Thomas Edison sagte einmal: „Ich bin nicht zehntausendmal gescheitert, sondern habe zehntausend Wege gefunden, die nicht funktioniert.“ Fehler sind eine Voraussetzung für Innovation – und oft braucht es Hunderte, bevor man den richtigen Weg findet. Wenn man Angst hat, den ersten Fehler zu machen, dann fängt der Innovationsprozess nie an und das Unternehmen bleibt stehen. Solche Unternehmen werden überholt und können den Wettbewerb nicht überleben.
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