Bei kleinen strafrechtlichen Vergehen sind sie mutiger als Nicht-Entrepreneure. Sie finden es nicht verwerflich, Zierblumen aus einem botanischen Garten zu pflücken oder auf dem Bürgersteig zu parken. Woher kommt diese Einstellung?
Ich könnte mir vorstellen, dass Entrepreneure etwas kühler kalkulieren. Sie hinterfragen: Was passiert gerade und wie wahrscheinlich ist es, dass ich erwischt werde? Sind die Folgen für mich gravierend oder nicht? Das sehen sie nüchtern.
Warum aber sind sie gerade im Bereich der Moral genauso vorsichtig wie Menschen, die keine Veränderung vorantreiben wollen?
Die moralische Orientierung zeigt, dass sie auch nette Kerle sein wollen. Das Muster ergibt schon einen gewissen Sinn.
Welcher wäre das?
Wer etwas verändern möchte, nicht nur im Bereich der Unternehmensgründung, muss mit Menschen umgehen können.
Soziale Intelligenz und die Fähigkeit, Menschen für sich und die eigene Sache zu gewinnen, das ist wichtig für den unternehmerischen Erfolg. Höflichkeit, Charme und Empathie sind wichtige Eigenschaften.
Wie profitiert die Wirtschaft davon, dass Entrepreneure gern ein Auge zudrücken, was die Rechtschaffenheit betrifft?
Unsere Wirtschafts- und Sozialwelt besteht aus unfassbar vielen Regeln. Viele von ihnen sind sehr sinnvoll, manche sind es nicht – oder nicht mehr. Ein Entrepreneur, der solche Regeln verletzt, kann damit unter Umständen großen Nutzen stiften.
Und vielleicht sorgt er durch sein Verhalten dafür, dass überflüssige oder gar schädliche Regeln nochmals überdacht werden.
Zum Schmunzeln ist, dass Entrepreneure, laut Studie, es in Ordnung finden, sich in einem Zugabteil auf einen vorreservierten Platz zu setzen. Und dann nicht aufzustehen, wenn die Person kommt, die ihn eigentlich reserviert hat. Etwas, das auf völliges Unverständnis bei Nicht-Entrepreneuren stößt.
Der Entrepreneur drückt eher ein Auge zu, vielleicht weil er überlegt, ob der, der den Platz reserviert hat, ihn auch wirklich dringender braucht. Er sucht nach dem Sinn hinter der Regel. Die Nicht-Entrepreneure sagen: Wieso? Der eine hat reserviert, es ist seiner.
Oder ist das auch etwas, das dem Unternehmertum zuzuschreiben ist? Entrepreneure setzen teilweise ja auch Ideen um, die es schon gibt. Sind schneller oder einfach mutiger.
Sie lassen sich nicht so schnell den Schneid abkaufen. Man muss als Entrepreneur natürlich aushalten, dass jemand sagt: „Das wird ja nie funktionieren. Das haben wir schon mehrfach in der Vergangenheit versucht und ausgerechnet Sie sollen das schaffen?“ Hier muss er die Stärke haben zu sagen, das schauen wir uns in Ruhe an.
Wie würden Sie generell das Persönlichkeitsprofil von Entrepreneuren beschreiben? Wo sind sie denn besonders gefinkelt?
Aus der Psychologie wissen wir, dass Kreativität auch die Funktion hat, dass Menschen ihr eigenes Fehlverhalten kreativer vor sich selbst rechtfertigen.
Da kann man sich die Welt etwas zurechtbiegen. Und wir wissen, dass Entrepreneure im Durchschnitt kreativere Menschen sind als Nicht-Entrepreneure.
Ist man mit weniger Schneid auch ein schlechterer Unternehmer?
Wer zu stark regelorientiert ist, wessen erster Reflex ist: „Das dürfen wir doch gar nicht!“ und dessen erster Impuls nicht ist: „Was ist der Sinn des Ganzen?“ – der ist kein Entrepreneur.
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