Welche Fähigkeit sich Mitarbeitende von ihren Chefinnen und Chefs am meisten wünschen? Empathie. Das erhob eine deutsche Umfrage, die sich unter viele Studien mischt, die belegen: Wer empathisch führt, hält Mitarbeiter gesund, fördert die Performance und Innovation, was langfristig auf den Unternehmenserfolg einzahlt. Wertvolle Benefits – bleibt nur die Frage, wie empathische Führung konkret aussieht?
Lunia Hara ist Führungskraft bei der VW-Tochter diconium und Expertin auf dem Gebiet. Sie zählt zu den Top-Stimmen auf LinkedIn, hält Vorträge über empathische Führung und bringt dazu im Mai ein Buch heraus. „Ich bringe Menschen Menschlichkeit bei“, sagt sie mit Augenzwinkern zum KURIER, der sie über Video-Call erreicht. Empathie wird uns zwar in die Wiege gelegt (schon Babys verspüren Mitgefühl), aber im Laufe des Lebens etwas abtrainiert. Was bedeutet, sie wieder antrainieren zu können.
So sieht gelebte Empathie im Job aus
Beim empathischen Führen geht es grob gesagt darum, den Menschen ins Zentrum zu rücken. Das reicht von mehr Menschlichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens bis zur Führung der eigenen Mitarbeiter. „Es gibt immer etwas, was du im Rahmen deiner Arbeit tun kannst, um dich für mehr Menschlichkeit einzusetzen“, ist Hara überzeugt.
Um ein empathisches Klima innerhalb des Teams herzustellen, müssen Führungskräfte gesprächsbereit sein. Herausfinden, was für Ziele, Herausforderungen und Bedürfnisse jede Person hat und sie in der Weiterentwicklung unterstützen. Hellseherische Fähigkeiten brauche es dafür nicht, entwarnt Hara. „Das ist ein Missverständnis, mit dem ich aufräumen will“, sagt sie. „Man muss nicht erraten, was das Gegenüber braucht.“ Die meisten Menschen wüssten das selbst ganz genau. Werden aber schlicht nicht danach gefragt. Oder sprechen erst offen darüber, wenn Vertrauen zur Führungskraft besteht. Wie man dieses gewinnt?
Wie man Beziehungen richtig pflegt
Aktiv nachfragen, aufnehmen, was das Gegenüber sagt, wirklich zuhören und nicht währenddessen eine eigene Antwort im Kopf formulieren. Wie man zuhört, ist übrigens ein guter Selbsttest, um die eigene Empathiefähigkeit zu analysieren, empfiehlt die Autorin.
Um genügend Raum für Gespräche zu schaffen, arbeitet Lunia Hara am liebsten mit regelmäßigen Terminen. „Das ist eine Form von Wertschätzung und Interesse. Es ist die beste Möglichkeit, Vertrauen und eine Bindung zu schaffen und diese auch zu erhalten.“ Die Häufigkeit der Termine dürfen ihre Mitarbeiter selbst festlegen. Einmal die Woche, einmal im Monat – je nach Gesprächsbedarf.
Auch Persönliches darf mit einfließen, solange man niemanden zwingt, etwas Privates preiszugeben. Aber zu sagen: „Ich möchte dich gerne unterstützen, wenn es außerhalb des Arbeitsplatzes Bereiche gibt, die dich gerade überfordern“, wäre möglich. Klar ist: Nicht alle Anliegen sind direkt lösbar. Aber eine Perspektive zu erarbeiten wäre die halbe Miete.
Und wenn ich zu nett bin?
„Wir sprechen hier über Arbeitsbeziehungen“, merkt Hara an. Genau wie in einer Partnerschaft würden diese davon leben, sich regelmäßig zu sehen und auszutauschen. „Beziehungen, in denen man an einem gemeinsamen Ziel arbeitet, halten länger“, sagt sie klar.
Beißt man als Führungskraft trotz guter Absichten im Team auf Granit, müsse man bereit sein, sich selbst zu reflektieren. Feedback einzuholen von Mitarbeitern oder zunächst von Freunden, die ehrlich beurteilen, wie einfühlsam man sich verhält. „Wenn du das Interesse ausreichend authentisch glaubhaft machen kannst, dass du an dir arbeiten möchtest, wirst du immer Mitarbeitende finden, die sich öffnen und das unterstützen“, weiß Hara.
Die Angst, als „zu nett“ abgestempelt zu werden, braucht es nicht, weiß die Expertin. „Es gibt kein zu nett oder zu empathisch“, sagt sie. „Was ist schlimm daran, wenn ich mir Mühe gebe, deine Bedürfnisse zu verstehen?“ Wissen Personen das nicht zu schätzen oder nutzen das sogar aus, bliebe noch immer die Möglichkeit, Grenzen zu ziehen.
„Auch wenn ich empathisch führe, muss ich manchmal Ansagen machen“, räumt Hara ein. Schließlich wäre man als Führungskraft immer noch dafür verantwortlich, die Unternehmensziele im Blick zu haben und eine Jobsicherheit zu gewährleisten. „Es hat niemand etwas davon, wenn man nur nett war, aber am Ende alle ohne Arbeit dastehen.“
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