Ein stetiges Bergab
Blickt man auf die DACH-Region, insbesondere auf Österreich, fällt vor allem eines auf: „Langfristig zeigt sich eine kontinuierlich negative Entwicklung der Lebensbewertung. Seit 2021 geht es bergab“, so Nink. Eine Ursache dafür sieht er unter anderem in der Arbeit. „Immerhin verbringen wir einen Großteil des Tages dort. Der Job prägt unsere Lebenswahrnehmung erheblich.“ Läuft es im Beruf nicht gut, wirkt sich das entsprechend auf die Stimmung aus. Aus dem Bericht geht hervor, dass Befragte aus einem guten Arbeitsumfeld deutlich zufriedener mit ihrem Leben sind als jene, auf die das nicht zutrifft. Sie geben auch seltener an, traurig, einsam, gestresst oder wütend zu sein. Eine gute Führungskraft sei dabei ausschlaggebend:
„Sie prägt das Arbeitsklima maßgeblich. Bekanntlich verlässt man nicht das Unternehmen, sondern seinen direkten Chef“, erklärt der Forschungsleiter. Laut einer weiteren Gallup-Studie würde mehr als jeder zweite Befragte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zurückkehren – unter der Voraussetzung, eine andere Führungskraft zu bekommen. Die Relevanz des direkten Chefs ist aus Ninks Sicht somit klar erkennbar: „Das Ergebnis guter Führung ist eine starke emotionale Bindung an ein Unternehmen.“
Auf den hinteren Plätzen
Diese emotionale Bindung steht im Fokus des Gallup-Berichts und wird in drei Kategorien unterteilt: „Unter hoher Bindung verstehen wir Mitarbeitende, die mit Hand, Herz und Verstand bei der Sache sind. Ihre Motivation wird durch positive Erfahrungen im Arbeitsumfeld gefördert“, erklärt Marco Nink. Wertschätzung, Einbindung, Stärkenorientierung und konstruktives Feedback stärken dieses Gefühl. Eine mittlere Bindung bedeutet „Dienst nach Vorschrift“: „Mitarbeitende tun, was sie müssen, gehen aber keine Extrameile.“ Die dritte Kategorie ist die innere Kündigung: „Diese Menschen fühlen sich ignoriert und übersehen. Ihre emotionalen Bedürfnisse bleiben unerfüllt“, so Nink.
Mit hoher emotionaler Bindung kann Österreich laut Bericht nicht punkten – und liegt auf einem der hinteren Plätze in Europa (Platz 31).
Nur neun Prozent der Befragten erleben ein Arbeitsumfeld, das von guter Führung geprägt ist. 81 Prozent sind gering gebunden, zehn Prozent haben innerlich gekündigt. Dieses Phänomen breitet sich europaweit aus: „Von allen zehn Weltregionen hat Europa den niedrigsten Grad an emotionaler Mitarbeiterbindung“, steht im Gallup-Bericht. Und das hat Konsequenzen.
Ein teurer Mangel
„Unsere Studien zeigen, dass Themen wie Führung und emotionale Bindung sich auf Leistung, Wettbewerbsfähigkeit und auf den Unternehmenserfolg auswirken“, erzählt der Experte. Laut Studie gibt es auch weniger Fehlzeiten, weniger Arbeitsunfälle, bessere Kundenbewertungen, höhere Produktivität und geringere Fluktuation. Doch damit nicht genug: Auch die Volkswirtschaft bleibt nicht unberührt. „Durch die geringe oder fehlende emotionale Bindung entstehen Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen.“ Hierzulande ist von einer Summe von rund 51,7 Milliarden Euro jährlich die Rede – das entspricht etwa elf Prozent der Wirtschaftsleistung.
„Da wird enormes Potenzial liegen gelassen. Die gute Nachricht ist aber: Man kann daran arbeiten.“ Ein Anfang sei z. B. die Wertschätzung. „Das wirkt wie ein Turbo. Bei einer Gehaltserhöhung und bei Lob bzw. Anerkennung werden die gleichen Hirnregionen aktiviert“, erzählt Nink.
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