Ein Doppelleben: Warum man Teilzeit-Unternehmer wird

Multitasking Businesswoman In Office
Wer sich nicht ganz in die Selbstständigkeit traut, kann sich nebenbei herantasten. Ob Teilzeit-Unternehmertum gelingen kann?

Flexibel, selbstständig, der eigene Chef sein. Gründe, Unternehmer zu werden, gibt es genug. Manche trauen sich, den Traum zu leben: Laut WKO wurden 2024 insgesamt 36.673 Unternehmen neu gegründet, ein Rekordwert. Doch nicht alle gehen gleich aufs Ganze – sie brauchen ein „Sicherheitsnetz“. Sie bleiben im Angestelltenverhältnis und starten nebenbei ein Unternehmen – neuerdings „Side Hustle“ genannt.

„Die nebenberufliche Selbstständigkeit erlaubt es, eine Geschäftsidee mit geringem Risiko zu testen“, sagt Lukas Sprenger, Bundesgeschäftsführer der Jungen Wirtschaft Österreich. „Man sammelt erste Kunden und Erfahrungen während das Einkommen aus dem Hauptjob weiterläuft“. Unternehmerisch tätig zu sein, ist also auch „nebenbei“ möglich – unterschätzen sollte man den Aufwand aber nicht. 

Es brauche Energie und vor allem Disziplin, um nebenher etwas aufzubauen. Die größte Herausforderung ist meist der Zeitmangel, weiß der Experte. Dazu kommen unklare Zielsetzungen oder ein fehlender Plan für das Wachstum der Firma. Auch (sozialversicherungs-)rechtliche Aspekte kommen hier ins Spiel, da bestimmte Grenzen bei Umsatz oder Gewinn zu beachten sind. „Gleichzeitig sollte man den richtigen Moment nicht verpassen. Wenn die Idee erfolgreich ist, braucht sie den vollen Einsatz“, betont er.

Wie das in der Praxis aussieht, wie man mit der Doppelbelastung umgeht und wie Chefs auf Nebenjobs reagieren? Der KURIER hat sich bei „Nebenbei-Unternehmern“ umgehört.

Barkeeper und Künstler

Johannes Banner mixt abends Cocktails in der Wiener Innenstadt – untertags findet man ihn im Atelier „Herr Klotz“ im 15. Bezirk. Dort stellt er seine Designs aus, näht und repariert Kleider unter dem Namen „Thriftup“. Er setzt speziell auf Wiederverwendung (sogenanntes „Upcycling“). Gewisse Aspekte der Modewelt sieht er als „nicht mehr zeitgemäß“, vor allem die verschwenderische Materialproduktion. 

Dass es ihn einmal in die Modeszene ziehen würde, hätte er nicht gedacht. Während der Corona-Pandemie nähte er im Zivildienst Masken. „Das war mein erster Kontakt mit der Nähmaschine.“ Wie sich herausstellte, aber nicht der letzte. „Es hat mir Spaß gemacht, und ich wollte das weiterverfolgen.“ Er zog nach Wien, absolvierte das Modekolleg in der Herbststraße und ist seit einigen Monaten Co-Gründer des Ateliers. Sein Traum: eines Tages eine eigene Werkstätte eröffnen. „Aktuell stehe ich noch am Anfang und kann mich mit dem Gastrojob gut über Wasser halten.“

Zwei Bilder von Künstler Johannes Banner: Links arbeitet er mit einer Nähmaschine, rechts sitzt er vor seinen "Upcycling"-Outifts im Herr Klotz Atelier

Künstler Johannes Banner im Atelier Herr Klotz

Bevor er den Schritt in die volle Selbstständigkeit wagt, will Banner noch Kunden akquirieren und einen konkreten Plan ausarbeiten. „Ein Unternehmen hat man ja nicht von heute auf morgen. Man springt nicht direkt in die 40-Stunden-Selbstständigkeit.“ Langsam nimmt sein Business Fahrt auf – genug, um seinen Hauptjob langsam zurückzuschrauben, um sich stärker dem Handwerk zu widmen. Was sein Chef dazu sagt? „Ihn stört das nicht, solange ich meine Arbeit mache.“

Wie gut so ein Nebenjob ankommt, hängt laut Lisa Eckhardt von der Firmenkultur ab. „Unternehmergeist wird zwar meistens geschätzt, in der Praxis überwiegt dann aber doch oft die Sorge um Loyalität oder Fokus der Angestellten“, sagt die Karrierecoachin. Sie selbst startete ihre Selbstständigkeit zunächst nur nebenberuflich – und würde es genau so wieder machen. „Für mich war es wichtig, einen Fuß in Sicherheit zu behalten. Das hat mir Mut und finanzielle Stabilität gegeben.“ So konnte sie sich Schritt für Schritt in die volle Selbstständigkeit wagen.

Zwei Bilder: Links sitzt Psychotherapeutin Susanne Hintringer auf einem gelben Couchsessel. Rechts sitzt Karrierecoachin Lisa Eckhardt - ebenfalls auf einem Sofa

Coachin Lisa Eckhardt und Psychotherapeutin Susanne Hintringer (li.) 

Das Beste aus zwei Welten

Einfach ist so eine Doppelrolle nicht: „Es ist ein Doppelleben, das man führt. Das hinterlässt das Gefühl, beiden Jobs nicht ganz gerecht werden zu können. Eine gewisse Zerrissenheit gehört dazu“, weiß die Coachin. Weshalb es für viele letztlich nur eine Übergangslösung bleibt. Susanne Hintringer sieht das anders.

Sie ist in einer Opferschutzeinrichtung für Betroffene von häuslicher Gewalt angestellt. Gleichzeitig ist sie selbstständig als Psychotherapeutin in Ausbildung. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich langfristig zwei berufliche Standbeine behalten möchte.“ Dafür nimmt sie die zeitliche Belastung in Kauf: Sie hat drei Telefone, hält sich an eine straffe Zeitplanung und bleibt für ihre Klienten flexibel. 

„Oft bleibt mir nichts anderes übrig, als mich am Wochenende oder spätabends mit meiner Buchhaltung zu befassen“, erzählt sie. Trotzdem fühlt sie sich angekommen: „Ich habe das beste Team und die tollste Chefin. In meiner psychotherapeutischen Arbeit darf ich Menschen ganz nah begleiten – das ist jedes Mal ein Geschenk.“

Kommentare