Grauzonen: Wann Compliance-Verstöße den Job kosten können

Wenn Verstöße gegen Compliance-Regeln passieren, kann das im äußersten Fall den Job kosten. Compliance wird in Unternehmen immer stärker zum Thema, ganze Abteilungen beschäftigen sich damit. Immer geht es um hochsensible Angelegenheiten - doch was passiert, wenn etwas passiert? Wo liegen die Grauzonen und welche Folgen drohen, wenn gegen Compliance-Regeln verstoßen wird.
Oliver Werner, Rechtsanwalt und Compliance-Experte bei CMS, hat Antworten.
KURIER: Wie groß ist das Thema "Compliance" mittlerweile in Unternehmen?
Oliver Werner: Compliance ist ein Überbegriff, der ganz viele Rechtsbereiche abdeckt. Es ist eine nicht mehr so neue Strömung in der Rechtsbranche, die im Wesentlichen darauf abzielt, dass Unternehmen präventiv Regeln, Maßnahmen, Organisationen einführen, um Verstöße zu vermeiden. Öffentlichkeitswirksam bemerkt man meistens die Korruptionsprävention, Geldwäsche, aber auch die arbeitsrechtlichen Maßnahmen, wie die Verhinderung von Mobbing oder die Geschlechtergleichbehandlung. Wir arbeiten mit Unternehmen zusammen und schauen, wie man interne Regeln aufstellen kann, die verhindern, dass etwas schiefgeht. Und wenn etwas schiefgeht, bereiten wir Unternehmen darauf vor, damit sie die richtigen Schritte setzen können.
Wenn (zum Teil prominente) Fälle bekannt werden, sind das die Effekte des verstärkten professionellen Umgangs mit dem Thema?
Vor allem größere Unternehmen und Konzerne haben, manchmal aus gesetzlichen Gründen, eigene Compliance-Abteilungen. Allein das führt sicherlich dazu, dass gleich mehr Probleme behandelt werden.
Weil jetzt plötzlich ein Fokus darauf liegt?
Man hat die interne Revision, die wie ein sogenannter „Watchdog“ im Nachhinein schaut, ob etwas passiert ist und prüft. So kommt man auf unerlaubte Mittel, erhöhte Reisekostenabrechnungen oder erhöhtes Kilometergeld als Zusatzgehalt. Mobbing, sexuelle Übergriffe, Korruption kommen da selten vor, weil es schwierig ist, so etwas aus Zahlen abzuleiten. Mit Compliance versucht man eben, Vorfälle präventiv zu verhindern.

Oliver Werner, Rechtsanwalt und Compliance-Experte bei CMS.
Wie kommt es zu einem Verdachtsmoment, dass jemand etwas falsch gemacht haben könnte?
Hauptsächlich sind es Whistleblower. Darum macht es für Unternehmen Sinn, eine effiziente und gut funktionierende Whistleblower-Plattform zu haben, weil man aus Sicht des Managements wissen möchte, ob es Missstände im Unternehmen gibt. Und das, bevor sich Personen an Medien, Staatsanwaltschaft etc. melden. Man will es intern klären und will nicht unbedingt, dass es nach außen dringt.
Wie funktioniert eine gute Whistleblower-Plattform?
Ein gut gemachtes Whistleblower-System hat geringe Schwellen, damit niemand Angst haben muss, einen Missstand zu melden. Es schützt die Hinweisgeber, damit es keine Vergeltungsaktionen gegen sie gibt. Wenn eine Meldung eingeht, wird sie an interne Abteilungen oder Externe, wie Rechtsanwälte, weitergegeben, die entscheiden, wie damit umzugehen ist. Es muss beurteilt werden, ob es etwas Ernstes ist, das man verfolgen muss – und auch gegen wen sich der Vorwurf richtet. Wenn es ernstere Vorwürfe sind, muss die Geschäftsführung oder der Compliance Verantwortliche entscheiden, was als nächstes passiert.
Kann so ein Instrument auch missbräuchlich verwendet werden, um etwa unliebsame Kollegen loszuwerden?
Sie werden missbräuchlich verwendet. Das kann man nicht ausschließen, besonders in größeren Unternehmen. Immer wieder kommt es vor, dass jemand angeschwärzt wird oder unnötige Meldungen eingebracht werden. Kurz nach Einführung eines Hinweisgebersystems schreiben sich viele erst einmal den Frust von der Seele. Meist handelt es sich um zwischenmenschliche oder HR-Probleme, echte Missstände werden seltener gemeldet.
Werden auch Personen ungerechtfertigt angeprangert?
Bei kriminellen Vorgängen wie Betrug oder Korruption kommt es schon vor, dass die untere Ebene die nächsthöhere anschwärzt. Für die untersuchende Abteilung ist es oft schwierig einzuschätzen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Sie bekommt viel Mist, um es umgangssprachlich zu beantworten, und muss herausfiltern, was relevant ist. Ein erfahrener Compliance Officer kann aber die Spreu vom Weizen trennen oder holt sich Unterstützung von außen.
Was passiert, wenn ein Fall ins Rollen kommt?
Im Allgemeinen gibt es in Österreich keine Anzeigepflicht bei der Staatsanwaltschaft – mit ein paar Ausnahmen. Selbst beim Verdacht von Untreue und Betrug (solange es im Unternehmen bleibt) liegt es bei der Geschäftsführung, wie damit umgegangen wird. Etwa mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder disziplinären Maßnahmen. Wenn man eine Sache bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, kann sie publik werden und vielleicht noch weitere Probleme aufwerfen.
Welche Konsequenzen gibt es für Whistleblower?
Typischerweise ist das über interne Richtlinien geregelt. Es ist im Interesse des Whistleblowers, anonym zu bleiben. Die Geschichte zeigt, dass die wenigsten Hinweisgeber nach einem richtigen Hinweis bessergestellt sind als davor. Das Hinweisgeberschutzgesetz in Österreich schützt sie zwar vor negativen Reaktionen. Aber das muss man auch beweisen, dass der Karrieresprung nicht gelingt, weil man als Querulant im Unternehmen verschrien ist. In Österreich braucht man bei einer ordentlichen Kündigung grundsätzlich keinen besonderen Kündigungsgrund anzugeben, solange kein verbotener Motivkündigungsgrund vorliegt.
Gibt es bei Compliance-Richtlinien nicht auch viele Graubereiche?
Die gibt es sicher. Aber das hängt von den Compliance-Regelungen ab. Je näher man dem öffentlichen Bereich kommt, desto kritischer werden Geschenke, Essenseinladungen und ähnliches. Bei größeren Unternehmen gibt es meist Regelungen, wie viel Geld für ein Geschäftsessen ausgegeben werden darf. Da gibt es sicher immer wieder Verstöße, aber wenn keine kriminelle Absicht dahinter ist, wird das nicht geahndet.
Ist Compliance ein Management-Thema?
Wenn es richtig gemacht ist, sollte es alle im Unternehmen betreffen. Ein gutes System gibt den Mitarbeitern das Gefühl, dass es kein Hindernis ist, sondern zum Unternehmenswohl und zum gemeinsamen Arbeiten beträgt.
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