Wie Auslandsaufenthalte Karrieren lenken

Gegenstände für Reisen und Flüge: Tickets, Reisepass, Geld, Sonnenbrille auf farbigem Hintergrund.
Zeit im Ausland verändert – die Perspektive, den Berufsweg, die Persönlichkeit. Was diese Erfahrung bringt und wie sie Karrieren prägt.

Wenn Josua Mayr Mate-Tee trinkt, ist er wieder im Jahr 2018 in Argentinien. Der damals 15-Jährige verbrachte dort ein ganzes Schuljahr. Eine Zeit, die teils ermüdend und etwas überwältigend war. Trotzdem würde er das niemals missen wollen – im Gegenteil: Seither zieht es ihn von Reise zu Reise. Aktuell macht er seinen Master in Genetik und Molekularbiologie in Helsinki, Finnland.

„Ich habe mich extrem verändert. Die Menschen, die ich kennengelernt habe, hatten einen starken Einfluss auf mich. Heute bin ich als Person ein Kultur-Clash.“ Mit neuen Interessen, besseren Sprachkenntnissen und einer lockeren Selbstständigkeit, wie er meint: „Wenn man woanders ist und in gewisser Weise auf sich allein gestellt ist, wird man sehr schnell erwachsen.“

So wird die Reise geplant

Mayr ist einer von vielen, der sich den Auslandssemester-Traum erfüllen konnte. Doch wie kommt man zu so einer Reise, was kostet sie, wo liegen die Hürden – und was haben Top-CEOs damit zu tun?

„Das Wichtigste ist zunächst eine Frage: Was ist die Erwartungshaltung?“, sagt Katharina Tapler, Beraterin für Programmteilnehmende bei YFU Austria, einem gemeinnützigen Verein. In Österreich organisiert YFU seit 2005 Schüleraustausche mit etwa 40 Ländern. 

„Viele Jugendliche haben anfangs eine verzerrte Vorstellung vom Gastland oder dem Austausch selbst. Daher klären wir gleich zu Beginn, was sie wirklich motiviert: Sprache, Interesse an einem Land oder der Wunsch nach neuen Perspektiven, einem Tapetenwechsel“, so die Beraterin. Ist das geklärt, wird das Land gewählt und die Gastfamiliensuche beginnt. 

Sprachvorkenntnisse sind meist nicht notwendig; manche Länder verlangen jedoch Grundkenntnisse und dass man sich vor der Reise mit der Sprache auseinandersetzt, etwa in Japan.

Eine Altersbegrenzung an sich gibt es nicht. Sie hänge vom jeweiligen Land ab. Laut Tapler werden jedoch kaum Jugendliche unter 15 Jahren ins Ausland geschickt – schon aufgrund des Heimweh-Risikos. Deswegen werden vor der Abreise die Schüler auf kulturelle Unterschiede, Hürden und darauf, wie man Kontakte knüpft, vorbereitet. „Der Auftrag an die jungen Menschen lautet: offen sein, Freundschaften schließen, den Horizont erweitern und sich etwas trauen.“ Nur so könne man das Meiste aus der Erfahrung holen.

Ähnlich ist es auch bei ASSIST: Seit über 50 Jahren vermittelt der gemeinnützige Verein Leistungsstipendien an talentierte Schüler, damit sie US-amerikanische Privatschulen besuchen können. Um in das Programm zu kommen, muss man einen längeren Aufnahmeprozess durchlaufen. Platziert wird man dort, wo man am besten hineinpasst (nach dem Prinzip „Beide Seiten bereichern einander“), erklärt Christine Klingler, ASSIST-Country Coordinator. 

„Das Stipendium geht an gute Schüler“, sagt sie. „Das heißt aber nicht nur gute Noten. Offenheit und außerschulische Aktivitäten wie Sport oder Musik sind hier wichtig.“ Jährlich bewerben sich weltweit bis zu 1000 Schüler für rund 180 Plätze. Und jährlich gehen rund zwölf bis 17 Stipendien an österreichische Bewerber. Die Bewerbungsfrist für das kommende Schuljahr endet am 28. November.

Der Karriere-Vorteil

„Ich finde, dass das ‘Fremdsein‘ eine sehr wichtige Erfahrung ist“, sagt Klingler. Über solche Reisen baue man sich ein wichtiges und auch vorteilhaftes Netzwerk auf – eines, das einem später auch berufliche Türen öffnet.

Apropos Karriere: Wer einen Chefposten in Österreichs erfolgreichsten Unternehmen anstrebt, wäre mit einem Auslandssemester nicht schlecht beraten. Klickt man sich durch die Lebensläufe der ATX-CEOs, wirkt ein Jahr in einer anderen Stadt fast wie ein Standardkriterium – viele haben einen Teil ihres Studiums im Ausland verbracht. So etwa auch CEO der Österreichischen Post AG Walter Oblin. Er erhielt ein Fulbright-Stipendium und absolvierte damit ein postgraduales MBA-Studium in den USA – eine Möglichkeit, für die er bis heute dankbar ist. 

Walter Oblin Post-Chef

„Sie hat meine technische Ausbildung im Wirtschaftsingenieurwesen um internationale Managementkompetenzen erweitert“, sagt er. „Das akademische Umfeld in den USA ist geprägt von Exzellenz, Innovationskraft und der unmittelbaren Nähe zu führenden Unternehmen“, was sein unternehmerisches Denken und seinen Führungsstil prägte. „Es zählte nicht nur, was man weiß – sondern wie man Wissen gemeinsam wirksam macht.“

Auch wenn das Karriereziel Unternehmertum heißt, schadet ein Auslandsaufenthalt laut Mona-Lisa Egger-Richter, Gründerin der Insektenzucht „aoe – we farm energy“, ebenfalls nicht. Sie hat rund eineinhalb Jahre, in Bangkok gelebt und als Dispatcherin für Privatjets gearbeitet. „Es war eine unglaublich aufregende Zeit, voller neuer Eindrücke und Erfahrungen“, berichtet sie. „Solche Auslandserfahrungen sind meiner Meinung nach ein riesiger Gewinn für jede Karriere. Man wächst über sich hinaus, knüpft internationale Kontakte und lernt, mit neuen Situationen souverän umzugehen.“

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