Wie Arbeit in Filmen dargestellt wird
In der Filmforschung steht die Wichtigkeit der Arbeit zur Diskussion. „Die einen meinen, dass sie gar keine Rolle spielt, die anderen, dass sie omnipräsent ist“, erklärt Christoph A. Büttner. Figuren hätten für gewöhnlich einen Job, nur würden Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsorganisation, Strukturen im Unternehmen oder überhaupt der konkrete Arbeitsinhalt selten thematisiert. „Wir sehen Polizisten, Ärzte, die Feuerwehr – aber wissen wir, was genau sie machen? Was ihre Abläufe sind?“, fragt der Experte. Papierarbeit sei etwa bei Polizeikrimis kaum ein Thema, dabei mache sie den Großteil des Berufs aus.
Warum es die Tätigkeit an sich selten auf die Leinwand schafft? Sie sei laut Büttner einfach nicht so interessant. Weder für die Filmemacher noch für das Publikum. Aufregender ist die Dramatik des Zwischenmenschlichen, so der Filmforscher. Ein brennendes Feuer, dramatische Rettungsversuche oder (in der Office-Welt) schockierende Skandale, miese Business-Intrigen und Profitgier.
Ähnlich erklärt Jörg Markowitsch den Rückgang von Arbeitsfilmen: „Ihre Anschaulichkeit ist durch die Dienstleistungsgesellschaft schwieriger geworden.“ Heißt: Jobs, in denen Charlie Chaplin auf Maschinen turnen kann, gibt es nicht mehr – und Büroarbeit ist filmisch eher fad. Gleiches gilt für Tätigkeiten an Supermarkt-Kassen oder typische Kommissionierungsjobs in Lagerhallen.
Büttner beobachtet, dass Fragen der Arbeit gerne in Komödien verpackt werden, um sie spannender zu machen. „Das Genre bietet sich an, um Arbeitsfragen unterhaltsam zu behandeln, ohne allzu kritisch zu sein.“ Beispiele sind Serien wie „Das Büro“, „Superstore“ oder „Die Discounter“. Und egal, wie sie dargestellt werden – aus den Gesprächen mit den Filmexperten wird deutlich, dass Repräsentationen von Berufen dringend notwendig sind.
Was die Repräsentation von Arbeit im Kino bringt
„Filme haben ein gutes Gespür dafür, was in der Arbeitswelt passiert“, sagt Christoph A. Büttner. Früher waren es Klassenkämpfe und schwere manuelle Arbeit, aktuell bilden sich die volatile Wirtschaft, Arbeitsstress, Isolation, soziale Strenge am Arbeitsplatz und das Verschwinden bestimmter Berufsmodelle, ab. „Diese Darstellungen haben eine Wirkung darauf, wie wir am Ende des Tages Arbeit wahrnehmen.“
Genauere Einblicke hat Künstlerin Susi Rogenhofer. In ihren Installationen und audiovisuellen Inszenierungen widmet sie sich den „unsichtbaren" Arbeitenden. Rogenhofer rückt gemeinsam mit verschiedensten Künstlerinnen und Künstlern Arbeiterinnen und Arbeiter ins Rampenlicht: Arbeit wird in Bilder, Sounds und Erzählungen verwandelt, die Einblicke in vielfältige Arbeitswelten sowie Realitäten geben. „Gezeigt werden heutzutage Waren, aber nicht die Personen dahinter. Jene die sie herstellen. Man wird schnell zu einer Zahl in der Kostenrechnung und die menschlichen Bedürfnisse rücken in den Hintergrund“, erzählt sie. Dabei braucht es sie in der Arbeitswelt – „und sie haben es verdient gehört und gesehen zu werden.“
Wobei sie beobachtet, dass Arbeit in der Kunstszene wieder wichtiger wird. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Kunst voll mit Arbeit. Und jetzt kommt es wieder, weil man gesellschaftlich an seine Grenzen gestoßen ist.“ Inspiriert von der russischen Avantgarde, die Arbeiter gefeiert hat, macht sie unter anderem Videos und präsentiert sie im öffentlichen Raum. „Repräsentation ist Wertschätzung“, so ihre Meinung.
So sieht das auch Büttner: „Diese Darstellungen haben eine Wirkung darauf, wie wir am Ende des Tages Jobs wahrnehmen.“ Filme hätten zudem auch eine Vorbildfunktion.
Hier setzt Jörg Markowitschs Filmfestival-Idee an: Sein Hauptaugenmerk lag auf Pädagogik und Bildungspolitik. Er wollte Lehrlinge für das Thema begeistern. „Wenn man ihr Demokratiebewusstsein stärken und mehr Mitbestimmung in Arbeit und Gesellschaft erreichen will, muss man sie dort abholen, wo sie tätig sind. Also auch in der Darstellung ihrer Arbeit.“ Markowitsch arbeitete mit Lehrlingen aus dem Gastgewerbe, dem Lebensmittelhandel und Bäckereien zusammen. Er fragte, wie sie diese Darstellungen sehen, was sie verändern wollen und wo sie ansetzen würden.
Ein Film, für den sich die Jugendlichen besonders begeistern konnten, war der biografische Spielfilm „Sterne zum Dessert“ über Yazid Ichemrahen, ein junger Patissier, der trotz vieler Hürden erfolgreich wurde. „Viele von ihnen haben es ohnehin schon nicht leicht: Sie finden nur schwer Lehrstellen und stehen oft am unteren Ende der Berufs- und Bildungshierarchie. Filme über Personen, die es ähnlich schwer hatten und es trotzdem geschafft haben, wirken umso inspirierender.“
Arbeitsfilm-Empfehlungen der Experten und Expertinnen
Filme
Metropolis (1927)
In einer futuristische Stadt wird streng zwischen der Oberschicht und Arbeiterschaft unterschieden - bis es zu einem Aufstand kommt.
Moderne Zeiten (1936)
Charlie Chaplin kämpft mit den Herausforderungen der industrialisierten Arbeitswelt.
Früchte des Zorns (1940) (Gibt es auf
Eine Familie sucht während der Weltwirtschaftskrise Arbeit und eine Lebensgrundlage.
Die Faust im Nacken (1954) (Gibt es auf
Es geht um die Ausbeutung und das Schweigen von Hafenarbeitern unter korrupten Machtstrukturen.
Goodbye, Norma Jean (1976) (Gibt es auf
Norma Jeans (später als Marilyn Monroe bekannt) Weg von harter Arbeit und Ausbeutung bis nach Hollywood.
Warum eigentlich … bringen wir den Chef nicht um? ("9 to 5", 1980) (Gibt es auf
Drei Büroangestellte wehren sich gegen ihren sexistischen Chef und Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz.
Wall Street (1987) (Gibt es auf
Ein junger Börsenmakler muss sich zwischen Karriereambitionen und moralischer Integrität entscheiden.
The Wolf of Wall Street (2013) (Gibt es auf
Ein Börsenmakler verdient Millionen mit fragwürdigen Methoden und verliert sich in Gier, Macht und Exzess.
Man lernt nie aus (2015) (Gibt es auf
Ein pensionierter Witwer beginnt ein Praktikum in einem Start-up und findet neue Aufgaben, Beziehungen und Sinn im Arbeitsalltag.
The Big Short (2015) (Gibt es auf
Mehrere Finanzexperten erkennen früh die Immobilienblase und verdienen an einem System, das kurz vor dem Zusammenbruch steht.
Toni Erdmann (2016) (Gibt es auf
Eine gestresste Unternehmensberaterin wird von ihrem Vater mit unkonventionellen Methoden an die Menschlichkeit hinter der Arbeit erinnert.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017) (Gibt es auf
In einer wirtschaftlich schwachen Stadt nutzt eine trauernde Mutter Werbung, um Polizei und Behörden zur Arbeit an einem ungelösten Kriminalfall zu bewegen.
In den Gängen (2018) (Gibt es auf
Ein Lagerarbeiter findet in der Routinenarbeit eines Großmarkts neue Nähe, Struktur und zwischenmenschliche Verbindungen.
Nomadland (2020) (Gibt es auf
Eine verwitwete Arbeitsnomadin schlägt sich nach der Wirtschaftskrise mit prekären Gelegenheitsjobs durch.
Sterne zum Dessert (2023) (Gibt es auf
Ein junger Mann kämpft sich durch die harte Küchenarbeit in einem Gourmetrestaurant und entdeckt dabei sein Talent fürs Kochen.
Perfect Days (2023) (Gibt es auf
Ein Mann arbeitet in Tokio als Reinigungskraft an öffentlichen WCs und findet Erfüllung in der täglichen Routine seiner Arbeit und der Schönheit des Alltags.
On Falling (2024) (Gibt es auf
Eine Lagerpickerin arbeitet in einem schottischen Versandzentrum und ringt mit Isolation, Überwachung und prekären Arbeitsbedingungen.
Serien
The Office US (2005) (Gibt es auf
Eine Gruppe Büroangestellter erlebt absurde Routinen, persönliche Konflikte und Humor im tristen Arbeitsalltag eines Papierunternehmens.
Good Wife (2009) (Gibt es auf
Eine ehemalige Politiker-Ehefrau kehrt als Anwältin in den Beruf zurück und kämpft sich in der Kanzlei- und Gerichtswelt neu nach oben.
Superstore (2015) (Gibt es auf
Angestellte eines Großmarkts navigieren zwischen niedrigen Löhnen, absurden Regeln und solidarischem Zusammenhalt im Einzelhandel.
Good Girls (2018) (Gibt es auf
Drei unterbezahlte Mütter steigen aus Geldnot ins Verbrechen ein, um sich von finanziellen und beruflichen Zwängen zu befreien.
Die Discounter (2021) (Gibt es auf
Junge Mitarbeitende eines Discounters schlagen sich mit chaotischem Arbeitsalltag, Vorgesetzten und prekären Bedingungen durch.
Severance (2022) (Gibt es auf
Angestellte eines Konzerns trennen per Gehirneingriff strikt zwischen Arbeits- und Privatleben.
The Pitt (2025) (Gibt es auf
Ärzte kämpfen gegen die Überlastung im Krankenhausalltag, während sie ihre Berufung und persönlichen Grenzen ausloten.
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