Arbeitssucht: Ob man davon betroffen ist und was dagegen hilft
„Der Grat zwischen Erfüllung und Überforderung ist schmal“, schreibt Kommunikationsexperte Stefan Häseli in einem Fachbeitrag über Arbeitssucht, auch als Workaholismus bekannt. Denn die übermäßige Freude am Überstundenschieben kann schnell zur krankhaften Fixierung auf Arbeit werden.
Wie man erkennt, ob man selbst betroffen ist und was dagegen helfen kann, erklärt Kommunikationstrainer und Autor Stefan Häseli im KURIER-Interview.
KURIER: Sie sind eigentlich Kommunikationstrainer. Warum widmen Sie sich dem Thema Arbeitssucht?
Stefan Häseli: Es waren die Erlebnisse in den vergangenen Monaten, die mich auf dieses Thema gebracht haben. Ich arbeite als Kommunikationstrainer viel mit Führungskräften zusammen. Wir sind sehr oft bei diesem Thema gelandet.
Und wie schaut es in den obersten Etagen aus? Stimmt das Klischee, alle Workaholics?
Vielleicht nicht gerade alle, aber pauschal würde ich schon sagen: ja, viele. Die wenigsten würden sich als Workaholic bezeichnen, von einem Suchtverhalten sprechen. Sie würden eher sagen, dass sie gerne und viel arbeiten. Manche brüsten sich sogar damit, nur vier Stunden Schlaf zu brauchen. In gewissen Kreisen ist das angesehen. Diese Anerkennung fördert wiederum die Arbeitssucht. Die Spirale setzt sich in Gang und wie bei jeder Sucht muss zur Befriedigung die Dosis ständig erhöht werden.
In Ihrer Presseaussendung stand: Workaholismus ist auf dem Vormarsch. Was führt Sie zu dieser Annahme?
Langfristig sehe ich diese Entwicklung kommen, das hat jetzt nicht nur mit Corona zu tun. Die Menschen in der modernen Gesellschaft arbeiten mehr als die Generationen davor. Mit der Aufklärung, der Industrialisierung und Digitalisierung kam das Versprechen auf, dass Menschen von der Arbeit befreit werden. Tatsächlich holt man sich die Unfreiheit mit der Arbeitssucht wieder zurück.
Eine kurze Beschreibung: Was macht einen Arbeitssüchtigen aus?
Es ist ähnlich wie bei anderen Suchterkrankten. Die Gedanken drehen sich nur noch um die Arbeit. Das gesamte Selbstwertgefühl fußt auf Arbeit. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich von ihr abzugrenzen, arbeiten zwanghaft, andere Lebensbereiche verlieren an Bedeutung. Man darf das aber nicht mit dem Burnout verwechseln, da sind die Menschen überlastet, werden krank. Ein Workaholic kann dort enden, das ist nicht ausgeschlossen. Aber während zum Beispiel ein Mensch mit Burnout darunter leidet, keine Zeit für Freunde oder Familie zu finden, verspürt ein Workaholic wenig Bedürfnis für soziale Kontakte.
Wie merkt man, ob man einfach nur viel und gern arbeitet oder bereits ein Workaholic ist?
Wer arbeiten muss, um sich selbst zu lieben, steckt schon tief drin. Wer permanent mehr als 50 Stunde pro Woche arbeitet, kommt der Arbeitssucht auch sehr nahe. Wer nachts aufsteht, um eMails zu checken und erst dann wieder einschlafen kann, sollte sich fragen: tue ich das, weil ich viel zu tun habe, oder ist es nur eine Phase? Macht es mir Freude, blühe ich auf? Es können körperliche Entzugssymptome auftreten, wenn man sich nicht der Arbeit widmen kann, weil das Internet fehlt, man krank oder im Urlaub ist.
Gibt es Menschen, Branchen, oder auch Lebensphasen, wo Arbeitssucht häufiger auftritt?
Im Fokus stehen meiner Ansicht nach vor allem Führungskräfte und Selbstständige, die sich für Erfolge und Anerkennung hart ins Zeug legen. Das Homeoffice ist ein zusätzlicher Verstärker. Es gibt Arbeitssüchtigen noch mehr Grund, zu arbeiten. Das Homeoffice ist für Workaholics etwa so, wie wenn ein Alkoholiker in einen Schnapsladen geht. Es verstärkt die Sucht.
Wie kommt man da raus?
Zuerst muss man es selbst erkennen, für diesen Schritt braucht es Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Man sollte auch mit Freunden und Familie sprechen und erlauben, drauf angesprochen zu werden, wenn man zu viel arbeitet. Und man muss lernen, sich Zeitinseln ohne Arbeit zu schaffen, Freizeittermine so pflichtbewusst wahrzunehmen, wie Geschäftstermine.
Kommentare