KURIER: Studien zufolge ist die Jugend pessimistisch, mutlos und demotiviert. Was ist da los?
Ali Mahlodji: Ich arbeite oft mit jungen Leuten zusammen und mir fällt das auch auf. 15-Jährige machen sich Gedanken um ihre Pension. Das ist, wie wenn man jeden Tag mit dem Schirm herumläuft, weil es in 40 Jahren regnen könnte. Diese Ängste sind angelernt. Wir wissen, dass Kinder zu Beginn fast furchtlos sind. Man muss nämlich verdammt mutig sein, um dauernd hinzufallen und trotzdem weitergehen zu lernen. Angst und Mutlosigkeit lernen Kinder erst später von den Erwachsenen in ihrem Umfeld. Es gibt keine mutlose Generation, sondern nur ein Umfeld, das dich nicht ermutigt. Und das verstärkt sich aktuell durch die Sozialen Medien.
Woher kommt diese Mutlosigkeit der Umgebung?
Wir alle haben innere Gespräche oder negative Zukunftsbilder, die uns zurückhalten. Das ist teilweise naturbedingt. Unser Gehirn versucht, uns zu beschützen, deswegen gehen wir vom Schlechten aus. Trauen uns nicht, Fehler zu machen. Ein weiterer Faktor ist auch, dass man Mut haben muss, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, um etwas kämpft. Wir leben aber im Wohlstand und viele mussten um nichts Großes kämpfen. Jetzt fordert uns die Welt aber heraus.
Und wir sind nicht darauf vorbereitet?
Ich sehe das so: Wir haben als Gesellschaft nie Sport gemacht und müssen auf einmal untrainiert einen Marathon laufen. Das ist für viele zu überwältigend, deswegen geben sie schon im Vorhinein auf, „weil es sowieso nicht klappen wird“. Aber genau jetzt geht es wieder um etwas, es braucht wieder Mut.
Auch wenn es riskant ist?
Genau das macht Mut ja aus. Man hat nie die Garantie, dass es gut ausgeht. Uns wurde nur antrainiert, dass es Sicherheit gibt. Dass Unternehmen und Jobs „krisensicher“ sein können. So ist es aber nicht. Wir müssen aber lernen, Dinge anzufangen, ungeachtet des Ergebnisses. Man trifft eine Entscheidung, auch wenn später etwas Besseres kommen könnte – oder alles schiefgeht. Das wird vor allem in der Wirtschaft relevant. Wir steuern auf eine unternehmerische Denke zu, da braucht es Risiko und Neugier. Es könnte ja auch richtig gut werden.
Wie schafft man es, dem Pessimismus zu entkommen?
Man muss aus dem Scheukappenblick raus und sich umschauen, seinen Horizont erweitern. Erst dann sieht man, was alles machbar ist. Natürlich ist man mutlos, wenn man immer nur das Gleiche, Negative sieht und beobachtet, wo es überall nicht funktioniert. Umso eher muss man aus seiner Blase raus und sich mit Leuten unterhalten, die es geschafft haben. Vorbilder suchen, die einem vorzeigen, wie es gelingt. Wenn man diese Balance hat, wird man automatisch mutiger.
Aber man sollte nicht übermütig werden.
Es braucht auch den Übermut. Ich meine sogar, dass man bis zum 40. Lebensjahr im vollen Übermut leben sollte. Dann schießt man eben manchmal über die Stränge hinaus und holt sich vielleicht auch eine blutige Nase – im übertragenen Sinn. Das gehört aber nun mal zum Leben dazu.
Kann man Mut antrainieren? Man kann es üben. Versuchen, erste kleine Entscheidungen zu treffen, ohne es groß zu überdenken. Was aber wirklich hilft, ist ein Umfeld, das ermutigt. Hat man keines, muss man selbst damit anfangen und andere ermutigen.
Wie geht das?
Indem man Menschen nicht wie Leistungsschweine behandelt. „Reiß dich zusammen, du musst mehr machen“, so funktioniert Ermutigung nicht. Man wird viel zu oft als Objekt der Erwartung gesehen. Gelobt wird die Rolle, aber nicht der Mensch dahinter. Das muss voneinander entkoppelt werden.
Sie haben zwei Töchter: Wie geben Sie ihnen Mut mit auf den Weg?
Wir lassen sie hinfallen – und sind für sie da. Sie reagieren natürlich emotional und unsere Älteste sagt dann: „Ich kann das einfach nicht“. Darauf antworten wir: „Du kannst das noch nicht. Übe weiter“. Sie merkt sich das und wiederholt es jetzt selbst immer wieder. Ich habe da eine Anekdote: abends lesen wir ihr aus einem Buch vor, in dem eine Maus Skateboard fahren lernt. Wenn etwas nicht gelingt, hat sie einen besonderen Zaubertrick: Bevor sie es wieder versucht, sagt sie dreimal, dass sie das schaffen kann. Vor Kurzem waren wir eislaufen. Als meine Tochter hingefallen und wieder aufgestanden ist, flüsterte sie: „Ich kann das, ich kann das, ich kann das.“
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