Japan: Mit Neuwahlen aus der Flaute retten

Die viel gepriesene Wirtschaftspolitik des vor knapp zwei Jahren an die Macht gekommenen japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe scheint gescheitert. Seine „Abenomics“, ein Mix aus fiskalpolitischen Maßnahmen, Konjunkturprogrammen und Strukturreformen, hat zwar zunächst Wirkung gezeigt. Erstmals seit fünf Jahren stiegen 2013 die Verbraucherpreise in Japan, das Wachstum betrug 1,5 Prozent. Diese Größenordnung wird heuer verfehlt. Im abgelaufenen Sommerquartal ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurück. Bereits im Frühjahr gab es ein Minus von 1,9 Prozent.

Damit befindet sich Japan in der Rezession (eine schrumpfende Wirtschaftsleistung in zwei Quartalen hintereinander). Im Vorquartal lag die Ursache vor allem an der Erhöhung der Mehrwertsteuer von fünf auf acht Prozent. Nun sind deutliche Rückgänge bei Investitionen schuld. „Ich denke, dass sich die Unternehmen noch etwas in der Wartestellung befinden“, erklärt Stefan Große, Analyst bei der deutschen NordLB, gegenüber dem KURIER. „Zum einen, weil der Konsum sich nach dem Mehrwertsteuerschock noch nicht richtig erholt hat. Zum anderen wegen einer bis auf die USA global eher unsicheren Konjunkturlage.“
Hinzu kommt, dass sich die Exporte trotz eines schwachen Yen schwächer als erwartet entwickeln. Die Landeswährung stürzte am Montag auf ein Sieben-Jahres-Tief zum US-Dollar. Der Yen leidet unter der extrem lockeren Geldpolitik der Notenbank. Sie kauft seit Jahren in großem Umfang Staatsanleihen auf. Mit dem billigen Geld soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Die Schattenseite ist eine extrem hohe Verschuldung der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft. Sie beträgt bereits rund 245 Prozent des BIP.
„Die Nachhaltigkeit des Abenomics-Aufschwungs ist zunehmend infrage gestellt, vor allem an Strukturreformen mangelt es“, sagt Große. „Diese werden aber so bald nicht kommen, denn Abe plant Neuwahlen im Dezember. Er wird Unpopuläres nicht forcieren und lieber noch ein großes Konjunkturpaket schnüren.“ Eine weitere, ursprünglich für Frühjahr 2015 geplante Anhebung der Mehrwertsteuer auf zehn Prozent dürfte daher so schnell nicht kommen.
Abegeddon
„Die Zukunftsaussichten verdunkeln sich zunehmend“, sagt Große. Für das Gesamtjahr rechnet er nur noch mit 0,4 Prozent Wachstum, auch wenn das nächste Quartal dank neuer Konjunkturmaßnahmen im Vorfeld der Wahlen mit plus 0,7 Prozent besser ausfallen dürfte. Ein britisches Wirtschaftsblatt schrieb am Montag bereits süffisant von „Abegeddon“. Ministerpräsident Abe rechnet dennoch fix mit seiner Wiederwahl, denn die Opposition gilt als schwach.
Börsianern in Tokio schmeckten die schwachen Wachstumszahlen nicht, der Nikkei-Index schloss drei Prozent tiefer. Seit Jahresbeginn gerechnet kann er jedoch ein Plus von 4,2 Prozent vorweisen. Auch der Ölpreis reagierte, die Sorte Brent fiel unter die 78-Dollar-Marke.
Kommentare