So werden kleine Räume ganz groß

So werden kleine Räume ganz groß
40 Prozent der Österreicher leben auf 30 bis 50 Quadratmeter. Innendesigner sagen, wie man das meiste aus der Wohnung holt.

Die Tür lässt sich öffnen, wird aber kurz darauf vom Schuhregal gestoppt. Beim Ausziehen des klobigen Wintermantels knallt der Ellbogen gegen die Metallstange der Garderobe und der Kopf beim Versuch die Schnürsenkel zu öffnen, gegen die Wand. Der Eingangsbereich ist mit zwei Quadratmetern etwas eng und auch die restliche Wohnung mit insgesamt 35 Quadratmetern eher kuschelig. „Ungemütlich muss es in Mini-Apartments aber trotzdem nicht sein“, weiß Innenarchitektin Melanie Kirchgeorg von Lückenfüller Design. Mit ihrem Partner Martin Winkler plant sie Wohnräume und baut Möbel – wenn nötig – nach Maß. „Bei wenig Wohnraum sind maßgefertigte Möbel von Vorteil. An bereits vorhandenen Stücken kann aber auch gebastelt werden, damit keine Ecke des Raums ungenützt bleibt“, weiß Kirchgeorg. Denn gerade in kleinen Wohnungen zählt jeder Zentimeter.

So werden kleine Räume ganz groß

Das gilt auch nach oben hin. „Um den Wohnraum vom Schlafbereich zu trennen, kann das Zimmer in mehrere Ebenen eingeteilt werden“, erklärt Kirchgeorg. Ein Hochbett verschwindet beispielsweise aus dem Blickfeld, genauso wie ein Wäscheständer, der an der Decke mittels Liftzug befestigt werden kann. Um den Raum auch ebenerdig zu trennen, helfen Vorhänge. „Statt Kasten an Kasten zu reihen, kann ein Regal aufgestellt und hinter einem schönen Textil versteckt werden“, so die Raumplanerin. Türen würde sie ebenfalls aushängen – mit Ausnahme jener des Badezimmers.

 

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Bedachter Stil

In Bezug auf den Stil ist dann fast alles möglich. Nur bedacht muss es sein. Der Clou: multifunktionale, sogenannte Multitasking-Möbel. Beispiel: „Ein Hocker, der auch als Ablagetisch, Nachtkästchen oder Tritthocker eingesetzt werden kann“, erklärt Nicole Zangl, Interior Design Leader bei IKEA Österreich. Auch „Flugmöbel“ erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, wie das Buch „Einfach anders wohnen“ bildhaft beweist. So kann ein Bett  beispielsweise tagsüber hochgefahren werden, sodass mehr Wohnfläche entsteht.

So werden kleine Räume ganz groß

Weiters gibt es viele Möbel, die stapelbar oder ausziehbar sind. So kann sich beispielsweise ein kleiner Tisch im Handumdrehen in eine Festtafel verwandeln. Eine große Hilfe ist zudem Mobiliar mit verstecktem Stauraum, wie Couchtische, Bettsofas oder Bänke. Innenarchitektin Lilia Maier von Vienna Interiors bestätigt den Bedarf nach viel Stauraum. Aber: „Regale erübrigen sich immer mehr, weil weniger Bücher, CDs und DVDs gekauft werden – das alles ist heute digital. Dadurch lebt man platzsparender“, sagt sie.

Abstriche? Ja, gern!

Das bekräftigen auch Experten der Immobilienbranche. „Viele Wohnungssuchende machen Abstriche bei der Größe“, erklärt Gerhard Lottes, Geschäftsführer von Die Vorsorge Wohnung. Dadurch steigt die Nachfrage von Mini-Apartments – zwischen 30 und bis zu 60 Quadratmetern. „Die Anzahl der Singles wächst deutlich stärker als die von Familien“, klärt der Immobilienentwickler auf. Statistik Austria belegt, dass die durchschnittliche Wohnungsgröße der Österreicher im Jahr 2017 bei 44,8 Quadratmeter lag. Fast 40 Prozent der Österreicher leben derzeit in einem Einpersonenhaushalt. „Aufgrund der Urbanisierung wird Wohnfläche in Städten immer limitierter. Das Wohnen auf kleinem Raum gewinnt immer mehr an Bedeutung“, bestätigt auch Zangl von IKEA Österreich. Wo jedoch an Quadratmetern gespart wird, müssen andere Wünsche Platz bekommen: ein Balkon oder ein PKW-Stellplatz sind schon fast ein Muss, weiß Lottes.

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Ist die perfekte Kleinbehausung schlussendlich gefunden, gilt es nur noch, den vorhandenen Platz richtig zu inszenieren. Gut platzierte Lichtquellen und helle Farben vergrößern den Raum optisch. „Von Tapeten mit großenMustern rate ich ab, da diese die Raumproportion verändern und die Wohnung dominieren können“, schildert Zangl. Relevante Lichtquellen haben zudem eine ganz besondere Wirkung: „Sie können dunkle Ecken ausleuchten, aber auch als Stimmungslicht eine besondere Atmosphäre schaffen“, erklärt sie. Ausblenden funktioniert ebenfalls. „Richtig gesetzte Lichtquellen verbergen Arbeitsflächen am Abend und setzen gemütliche Bereiche wie die Couch ins Zentrum“, weiß auch Raumplanerin Melanie Kirchgeorg. Innenarchitektin Maier weist außerdem darauf hin, dass bei Leuchtdioden auf die richtige Kelvin-Zahl geachtet werden muss, um ein warmes Flair zu schaffen. „Zwischen 2700 und 3000 Kelvin sind empfehlenswert.“ Zusätzlich gebe es „kluges Licht“, das mithilfe von Apps bestimmte Lichtstimmungen speichert.

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Ordnung muss sein

Steht das Grundgerüst, geht es an die Dekoration. Hier gilt in erster Linie: Ordnung halten. Laut Lilia Maier darf es nicht zu offen und kleinteilig werden: „Es ist besser, kleinere Sachen in schönen Kisten zu verräumen“. Alles andere sollte nach Funktion geclustert werden – beispielsweise eine Gruppe von Vasen oder Bilderrahmen, so Nicole Zangl. Zu allerletzt sei darauf zu achten, möglichst viel Bodenfläche freizulassen. „Dafür empfiehlt es sich auch, Möbel auf Rollen einzusetzen. Diese kann man schnell von A nach B schieben, wo immer man sie braucht“, rät die Einrichtungsexpertin. Und: Die Möbel immer proportional zur Raumgröße auswählen – so wirkt der Raum nicht überladen. Wie diese innovativen Einrichtungslösungen richtig umgesetzt werden, erklärt etwa das Buch „Super Buden“ vom gestalten-Verlag.

Damit auf nichts verzichtet werden muss, ist laut Raumplanerin Kirchgeorg wichtig, im Vorhinein zu überlegen, was in die Wohnung einziehen soll. So ist auch auf wenigen Quadratmetern ein üppiger Wohnstil möglich.

Wohnen in einer Holzkiste

Nils Holger Moormann entwarf das multifunktionale MöbelKammerspiel“ für den kleinen Wohnraum

KURIER: Herr Moormann, woher kommt die Idee  des Kammerspiels?
Nils Holger Moormann: Das Kammerspiel ist ein Prototyp.  Die Grundidee war, kleine Wohnungen so gut zu organisieren,  dass sie wie eine große wirken.

Welche Funktionen hat das Kammerspiel ?
Es ist modulhaft aufgebaut und kann frei in den Raum gestellt oder – je nach Grundriss – als Ecklösung oder wandgebunden funktionieren. Jeder Quadratzentimeter des Möbels ist Nutzfläche. Wir haben ein paar Grundfunktionen, wie Küche, Sitzplatz, Bett und viele Stauraumschubladen eingebaut.  Zusätzlich kann das Kammerspiel individuell angepasst werden. Ein Sportler hat beispielsweise Platz für ein Fahrrad, an derselben Stelle kann aber auch ein Bücherregal eingesetzt werden. Das Kammerspiel steht derzeit in einer 40 Quadratmeter großen Wohnung. Rundherum ist fast nichts, dadurch wirkt der Raum groß und luftig.

Sie haben für das Kammerspiel dunkle Farben gewählt. Ist  ein großes, dunkles Möbelstück für eine kleine Wohnung vorteilhaft?
Das Kammerspiel ist Sperrholz Natur und die Funktionsflächen sind Sperrholz Dunkel. Das hat den Vorteil, dass die Materialien robust sind und gut altern. Wir fanden den Kontrast zwischen den Farben spannend.

Worauf ist zu achten, wenn kleine Räume eingerichtet werden?
Ausmisten ist eine große Befreiung. Ich selbst bin vor einigen Jahren von einem 120 Quadratmeter Haus in ein Gartenhäuschen mit 30 Quadratmetern gezogen. Damals musste ich auf vieles verzichten. Ich habe mir genau überlegt, was ich haben will.
 
Wie haben Sie Ihr Gartenhäuschen eingerichtet?
Es bestand fast nur aus Bücherregalen, dazu noch ein Holzofen und eine kleine  mobile Küche.

Was ist eine mobile Küche?
Man konnte die Küche hin und herziehen, nur Wasser- und Stromanschluss waren fixiert. So konnte ich auch mit zehn Leuten abendessen, wenn ich wollte. Es war zwar eng, aber es ging.

Wie werden kleine Wohnungen optimal eingerichtet?
Splitlevel oder Einbauten, die die Höhe ausnutzen, sind gut. Eine Altbauwohnung in Wien schreit fast danach, dass man das Bett höher legt, weil darunter Stauraum entsteht. Der Raum, in dem das Kammerspiel jetzt steht, ist 2,40 Meter hoch, aber auch das geht.

Wie wird sich die Einrichtung in Zukunft verändern?
Es wird kompakter. Viele Wohnungen haben heute eine Größe von 30 bis 35 Quadratmetern. Gut geplant, ist das aber kein Verlust. Möbel werden in Zukunft auch mobiler. Vor 20 Jahren war alles statischer. Damals wurde ein Schrank vom Schreiner fix eingebaut und war fest mit dem Haus verbunden. Heute ist das anders. Alles verändert sich laufend.

 

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