Wohnen: Welche Bedeutung hat das Schlafzimmer noch in Zukunft?

Wohnen: Welche Bedeutung hat das Schlafzimmer noch in Zukunft?
Teuerung, Homeoffice, Krisen: Was bedeutet das für unser Wohnen? Zukunftsforscherin Christiane Varga über die Aufwertung des Schlafzimmers und die Rückkehr der Vorhänge.

Wir alle spüren es täglich: Das Leben wird teurer. Vor allem die Wohnkosten sind in den vergangenen Monaten stetig gestiegen, ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Die Immobilienbranche ist im Umbruch, gestoppte Bauvorhaben stürzen viele in die Krise. Für den Einzelnen wächst die Sorge: Werden wir uns die Wohnung, das Haus in Zukunft noch leisten können? „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir auf weniger Platz wohnen. Es gibt ein Recht auf Wohnen, aber nicht auf ,großzügig“ Wohnen“, sagte kürzlich Architekt Christian Heiss im Interview. 

Dem kann Zukunftsforscherin Christiane Varga nur bedingt zustimmen: „Es geht eher um gesellschaftlichen Wandel. Wir müssen uns mit dem Lebensphasen-Wohnen beschäftigen. Menschen ziehen häufiger um als früher, weil sie den Job wechseln, in andere Städte ziehen oder den Partner wechseln und wir auch älter werden.“ Das führe dazu, dass Wohnraum andere Ansprüche erfüllen muss: „Es braucht für jede Lebensphase die richtige Immobilie, die richtige Größe.“

Wohnen: Welche Bedeutung hat das Schlafzimmer noch in Zukunft?

Christiane Varga ist Zukunftsforscherin und unterrichtet "Design and Research" an der FH Joanneum in Graz

Es braucht verschiedene Wohnkonzepte 

Unterschiedliche Wohnformen – wie Co-Living oder Siedlungsgemeinschaften – ermöglichen den idealen Wohnraum zum gegebenen Zeitpunkt. Während ältere Menschen oft in ihren Häusern vereinsamen aber sich noch zu jung fühlen für das betreute Wohnen, können sich junge Familien das Eigenheim kaum leisten. Gerade beim Bauen und Wohnen werde oft nur in zwei Kategorien gedacht, so die Expertin. „Es sollte nicht heißen: Sozialbau oder Luxuswohnung. Vergleichbar mit Autos sollte auch in mittleren Kategorien gedacht werden. Großzügig und hochwertig gebaut, aber nicht hochpreisig.“ 

Zudem steigt die Singledichte – bei den jungen und den älteren Menschen. Diese haben andere Bedürfnisse als etwa junge Familien. Varga: „Da bieten sich kleine, persönliche Wohneinheiten und geteilte Gesellschaftsräume oder Gärten an. Das ist für viele der genannten Gruppen interessant, so würden Einfamilienhäuser frei werden, für jene, die sie brauchen.“ Dies führe zu Dynamik am Markt und zu erschwinglichen Häusern.

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Unsere komplexe Welt führt zu Überforderung

 Wir sind pausenlos miteinander verbunden in der digitalisierten und vernetzten Welt und doch waren wir nie zuvor so einsam. Varga: „Die Dinge ändern sich nicht nur gefühlt schneller, sondern tatsächlich. Es ist verständlich, dass dann eine Überforderung herrscht.“ In unserer individualisierten Gesellschaft bleiben Rückzugsorte wichtig. Gerade wenn wir pausenlos online sind, braucht der Geist Erholung. „Das Schlafzimmer ist sozusagen die letzte Bastion der Erholung. Hier legen wir ab – unsere Kleidung, unser Make-up, aber auch unsere Sorgen. Aber auch relevante Räume müssen nicht groß sein, aber jedenfalls gut eingerichtet,“ so die Expertin. 

Gleichzeitig befinden wir uns in einer Zeit des Umbruchs, in der alte Strukturen aufbrechen und neue gefordert sind. „Ich denke, dass die Zukunft viel bunter und besser ist, als wir im Moment sehen. Durch oft dystopische Perspektiven herrscht eine allgemeine Angst vor dem Ungewissen. Zahlreiche gute Entwicklungen sind bereits im Gang und stimmen zuversichtlich: Wir bauen Holzhochhäuser, die durch neue Technologien möglich sind, Städte werden ländlicher und Dörfer urbaner. Und: Jeder Trend hat einen Gegentrend. Also je digitaler alles wird, desto wichtiger wird auch wieder das Analoge und die reale Begegnung.“

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Durch Wandel-Kompetenz gemeinsam zu neuen Strukturen

Gesellschaftlich stehen wir also vor Herausforderungen, die nur gemeinsam bewältigt werden können. Gerade das scheint das Problem zu sein. „Wir waren es gewohnt, dass die Dinge kontrollierbar sind, dass wir uns die Zukunft genau vorstellen können. Höher, schneller, weiter, war die allgemeine Stimmung. Jetzt müssen wir aber lernen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass es immer so weiter geht. Wir sollten eine gewisse Wandel-Kompetenz entwickeln,“ schlägt Varga vor. 

„Die Zukunft geht nur gemeinsam, ob das als Gesellschaft oder als Branche ist. Silodenken und Silohandeln ist passé. Lieber überlegen: Was kann ich heute in der Gegenwart tun? Wie kann ich mich schrittweise einer von mehreren Zukunftsvarianten nähern. Ich glaube, dass es wesentlich ist, hier sein Urvertrauen wieder zu finden und nicht versucht, von außen zu kontrollieren.“ Besonders jetzt, da Krisen den Alltag bestimmen, sollte sich die Gesellschaft auf Wesentliches fokussieren, rät Varga: „Auf Themen, die unser Menschsein betreffen, unser Zusammenleben, das ist dann diese viel beschworene Chance in der Zukunft.

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Der Memphis-Chic sorgt für Fröhlichkeit im Haus 

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Mit dem Wohnen in naher Zukunft beschäftigt sich Andrea Gebhard Geschäftsführerin von Höttges Windows in Wien: „Natürlichkeit, Nachhaltigkeit und Qualität stehen heuer im Einrichtungsbereich im Vordergrund. Zu hochwertigen und langlebigen Möbeln kommen jetzt viele Pflanzen, um das drinnen mit dem draußen zu verbinden. Aber auch Vorhänge sind wieder modern. Sie schaffen die Geborgenheit, nach der wir uns sehnen.“ Gleichzeitig herrscht gerade im Accessoirebereich eine Fröhlichkeit und Leichtigkeit. „Wohnen und Einrichten soll Spaß machen und darf auch einen Gegenpol zur ungemütlichen Realität bieten,“ ergänzt Innenarchitektin Anna Obwegeser-Diem. 

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Dem kommen die Interior-Trends Memphis-Design (knallige Farben, geometrische Formen), die Chrome und Industrial-Liebe oder der Hype um Kunst, Keramik und Deko nach. Varga erklärt: „Gerade in Krisenzeiten versuchen wir, die Dinge im Kleinen zu kontrollieren. Es sich zu Hause schön und gemütlich machen, gibt ein Gefühl der Sicherheit. Auch Handwerk und Tradition bedienen die Sehnsucht nach etwas Beständigem, woran wir uns in stürmischen Zeiten festhalten können.“

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