Reserve für die nächsten 30 Jahre
Der Neubau wurde notwendig, weil die Universitätsbibliothek nur auf 500.000 Bände ausgelegt ist und seit Jahren aus allen Nähten platzt. Das Bücherdepot mit einer Nettoraumfläche von 13.000 Quadratmetern ist für knapp 130.000 Laufmeter Bücher ausgelegt. Die Regalflächen werden aber nicht zu 100 Prozent befüllt. Ein Puffer wird bleiben. „Das Gebäude ist darauf ausgelegt, die nächsten 30 Jahre weitere Bücher aufnehmen zu können. Bei Bedarf kann der Bau nach Norden hin sogar erweitert werden“, erzählt Wolfgang Nikolaus Rappert, stellvertretender Leiter der Universitätsbibliothek bei unserem Rundgang durch den neuen „Speicher des Wissens“.
1.000 Meter neue Bücher pro Jahr
Bei der Planung berücksichtigt wurde auch der Trend vom Printprodukt zum E-Book. „Die Ankäufe von Büchern gehen massiv zurück. Heute wird nur mehr ein Viertel des Budgets für Printprodukte ausgegeben. 2011 war es noch mehr als die Hälfte“, so Rappert. „Trotzdem wächst unser Buchbestand rund 1.000 Meter pro Jahr.“ Insgesamt werden vier Geschoße mit Büchern befüllt. Darunter auch Bestände aus den Bibliotheken der Technischen Universität Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien.
Stahlbetonskelett trägt das Gewicht der Bücher
Das Bücherdepot ist ein funktionaler und klimafreundlicher Neubau, das die Bundesimmobiliengesellschaft für die Universität Wien errichtet hat. Die Pläne dafür stammen vom steirischen Architekturbüro Pittino & Ortner. Wo immer es möglich war, kam Holz zum Einsatz, zum Beispiel für die nichttragenden Wände. Ein Stahlbetonskelett sorgt dafür, dass das hohe Gewicht der vielen Bücher getragen werden kann.
Die Architekten zu ihrem Entwurf: „Wesentliches architektonische Element ist der über die gesamte Südseite zweigeschoßige, vertiefte ,Eingangstrichter’. Er stellt eine Geste der Einladung dar, ermöglicht klare Orientierung und lädt durch eine anregende Vorplatzgestaltung zum Verweilen ein. Der ,Eingangstrichter’ öffnet die einfache kubische Gebäudeform und definiert die südseitige Fassadenfläche als Hauptansicht.“
Für die Energie am Standort sorgt Geothermie. Die großflächige Photovoltaikanlage auf dem Dach soll eine Leistung von über 300 kWp liefern, was in etwa dem durchschnittlichen Stromverbrauch von 65 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Nach Fertigstellung im Herbst wurden 60 neue Bäume gepflanzt. Die Fassade Richtung S-Bahn und das Dach werden begrünt.
Ideales Klima für Bücher
Das Innere des Gebäudes präsentiert sich funktional: Wir laufen über einen Industrieboden, es gibt keine abgehängten Decken, die Haustechnik ist sichtbar. Im Dachgeschoß befindet sich die Technik, so auch die wichtige, Bestand schonende Gaslöschanlage. „Bei Feuer wird der Sauerstoff durch das Gas verdrängt, das Feuer erstickt, die Bücher nehmen keinen Schaden. Denn Löschwasser verursacht in Bibliotheken oft mehr Schaden als das Feuer“, erklärt Wolfgang Rappert. Die moderne Haustechnik ermöglicht zudem ideale klimatische Bedingungen zur Lagerung der Bücher. Die optimale Temperatur liegt bei rund 21 Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 50 Prozent. „Wichtig ist, dass die Bedingungen das ganze Jahr über gleichbleibend sind“, so Rappert.
Der Wunsch nach einem eigenen Bücherdepot für die Universität Wien besteht schon seit mehr als hundert Jahren. Bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurde Otto Wagner beauftragt, ein eigenes Bibliotheksgebäude zu entwerfen. Aber gut Ding braucht Weile. Die Planungen für das neue Depot begannen schließlich vor 15 Jahren.
Entlehnung neu
15 Mitarbeiter der Universitätsbibliothek werden hier künftig arbeiten. Sie heben einmal am Tag die bestellten Bücher aus. Diese werden in einen kleinen Wagen geladen und ins Erdgeschoß gebracht und von dort in einen E-Transporter geschlichtet für die Fahrt zur Universität. Bestellt wird ausschließlich online, das sind rund 1.000 Titel am Tag.
Auch Tageszeitungen werden hier archiviert. Bei unserem Rundgang haben wir u. a. auch die Bände der 1960er- und 1970er-Jahre vom KURIER entdeckt und einen Blick in eine alte Ausgabe geworfen.
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