Hans Peter Haselsteiner: „Werde die Neos weiter unterstützen“
KURIER: Wie managt die Regierung diese Krise?
Hans Peter Haselsteiner: Vergleiche sind schwer möglich, diese Situation ist in der Geschichte der Zweiten Republik einmalig. Der Zeitdruck ist groß und der Wissensstand über die Pandemie gering. Dass das Eine oder Andere nicht optimal gelaufen ist, wissen wir, aber hinterher ist man immer gescheiter. Die Ankündigungsverkündigungen sind allerdings unergründlich.
Wie kommt die Strabag durch diese Krise?
Ich glaube, für die Strabag und die Bauwirtschaft im Allgemeinen wird es 2021 einen Umsatzrückgang geben. Die Gemeinde-Finanzierungen fallen aus. Die Gemeinden sind die größten Auftraggeber der Republik. Privat fällt alles weg, was Tourismus-indiziert ist und die Nachfrage nach Büro- und Geschäftsmieten leidet auch.
Auch die Strabag ist in das größte Baukartell des Landes involviert. Sind Absprachen bei Großprojekten denn Usus?
Interessanterweise sind Klein- und Kleinst-Projekte von den Kartell-Vorwürfen betroffen, was erklärt, dass dies unter dem Radar aller internen Kontrollinstrumente möglich war. Meine Kollegen und ich, wir sind sehr betroffen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass alle unsere Bemühungen, aufzuklären und zu erziehen, nichts gefruchtet haben. Wir waren offenbar nicht rigoros genug.
Wie groß ist der Schaden?
Bei uns sind höchstens fünf Prozent, eher drei Prozent des Konzernumsatzes betroffen. Der Schaden geht jedoch weit darüber hinaus und betrifft die gesamte Branche, also auch mittlere und kleine Unternehmen.
Was ist das für eine Unternehmenskultur, wenn Mitarbeiter so agieren?
Die inakzeptable Vorgangsweise einiger Weniger, die versuchten, ein regionales Kartell zu bilden, um damit ihre Gewinnbeteiligung zu verbessern, bringt die ganze Branche und zig tausend großartiger Mitarbeiter in Misskredit.
Wie wollen Sie Absprachen künftig verhindern?
Wir haben uns von den betroffenen Mitarbeitern getrennt und treffen Vorkehrungen, dass die Alarmglocken früher läuten.
Kommen wir zu einem erfreulicheren Thema. Sie treten in einer Start-up-Show auf, an wie vielen Neugründungen halten Sie mittlerweile Beteiligungen?
Schätze, drei Dutzend werden es schon sein.
Und wie viel haben Sie investiert?
Kann ich auf Anhieb auch nicht genau sagen, circa fünf Millionen werden zusammenkommen. Die Beteiligungen sind in der Unit „Peak Pride“ zusammengefasst, diese verwaltet die Start-ups, begleitet sie und gibt, wenn notwendig, Hilfestellungen.
Sie haben sich einen bunten Bauchladen zusammengekauft, von Bio-Toiletten bis zu Zirbenholz-Möbeln. Macht das Sinn?
Das ist so, wenn man ohne Focus in Start-ups investiert.
Wie hoch ist die Erfolgsquote?
Einige überleben, wenige sind erfolgreich.
Spielt es sich wirklich so ab wie in der Puls-4-Sendung?
Eine Show lebt von der Dramaturgie. Ich sehe die Kandidaten tatsächlich das erste Mal und wir entscheiden sehr rasch. Aber freilich wird alles nachher überprüft.
Geht den Jungunternehmern vor der Kamera manchmal die Leidenschaft durch?
Jeder verkauft sich halt so gut wie möglich und oft wird übertrieben, z. B. wenn ein Patent zwar angemeldet ist, aber die Erteilung noch in den Sternen steht. Andere wieder wollen gar keine Beteiligung, die sind nur auf einen Gratis-Werbeauftritt aus, um ihren Online-Shop anzukurbeln.
Sie unterstützen die Aktion der Stadt Wien und der Wirtschaftskammer „Stolz auf Wien“ mit einer Million Euro. Die Stadt beteiligt sich z. B. an einem Juwelier und an Lokalen. Mutieren Sie als Wirtschaftsliberaler jetzt zum Verstaatlichungs-Fan?
Das ist keine Verstaatlichung, sondern eine Hilfsaktion in Form von Minderheitsbeteiligungen, um zu verhindern, dass gut geführte Betriebe insolvent werden. Unter einer Verstaatlichung verstehe ich ganz etwas anderes, nämlich den Einstieg der öffentlichen Hand mit Mehrheit und Beherrschung.
Es gibt doch genug Corona-Hilfen.
Leider nicht für alle, die sie bräuchten und oftmals nicht schnell genug. Viele Unternehmen brauchen dringend Eigenkapitalersatz, der auch wieder rückgeführt wird. Die Stadt erwirbt damit keinen Einfluss auf die Geschäftsführung, sondern nur Kontrollrechte. Verstaatlichung schaut anders aus.
Zur Politik: Sie meinten, bei einer Koalition mit der ÖVP könnten die Neos erdrückt werden. Droht das mit der Wiener SPÖ nicht auch?
Für den kleineren Koalitionspartner besteht immer die Gefahr, vereinnahmt zu werden, was durch die aktuelle Koalition auf Bundesebene deutlich demonstriert wird. Die Neos werden ihre Grundsätze allerdings nicht so leichtfertig verraten.
Werden Sie die Neos weiter unterstützen?
So gut ich es vermag und so gut es gesetzlich möglich ist. Derzeit ist es finanziell ja verboten.
Sie haben überlegt, die Neos mit Vermögen auszustatten. Die Großparteien haben ja auch Vermögen.
Durch dieses Anlass-Gesetz, das kleine Parteien verhindern soll, geht das derzeit auch nicht. Es war ein großer Sündenfall der SPÖ, dieses Gesetz zu unterstützen, das mit Sicherheit als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Sie sind als ORF-Stiftungsrat zurückgetreten. Weil sie den Vorsitzenden, Ex-FPÖ-Chef Steger, nicht absetzen konnten?
Ich stellte die Frage nach einer sinnvollen Änderung der Geschäftsordnung. Wenn der Stiftungsrat viele neue Mitglieder bekommt, dann sollte auch der Vorsitzende neu gewählt werden. Steger hätte wiedergewählt werden können, allerdings nicht mit meiner Stimme. Meine Abstimmungsniederlage war aber nicht der Grund, warum ich zurückgelegt habe.
Sondern?
Erstens kann ich nichts mehr beitragen. Ich bin kein Medienexperte, sondern ein Bau-Mensch. Das Bauvorhaben am Küniglberg ist in trockenen Tüchern. Zweitens wird es keine ORF-Novelle geben, die mich interessiert hätte und die den ORF vom politischen Einfluss befreien sollte.
Hat sich das unter Türkis verschlechtert?
Der ORF war immer politisch abhängig. Jetzt ist der Stiftungsrat eben mehrheitlich türkis.
Sind Sie für eine Verlängerung von Generaldirektor Wrabetz?
Das steht leider nicht in meiner Macht, das entscheidet allein der Bundeskanzler.
Formal der Stiftungsrat.
Dreimal dürfen Sie raten, auf wen die Freundschaftsgruppe der ÖVP-Mandatare hören wird. Alle tun so, als wäre es anders und das soll man auch noch glauben. Das ist eine intellektuelle Beleidigung.
Noch zur Kultur. Planen Sie neue Projekte?
Ich bin froh, wenn ich in Zeiten wie diesen die bestehenden halten kann.
Bleiben die Festspiele in Erl erhalten?
Ja. Wir haben die Winter- Festspiele auf Ostern verschoben und hoffen auf einen Corona freien Festspielsommer.
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