Teure Lebensmittel: Keine "Gierflation" im Handel festgestellt

Teure Lebensmittel: Keine "Gierflation" im Handel festgestellt
Bundeswettbewerbsbehörde sieht Handel nicht für Inflation bei Nahrungsmitteln verantwortlich, ortet aber Verstöße gegen fairen Umgang mit Lieferanten

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat ein Jahr intensiv an einer Branchenuntersuchung über den Lebensmitteleinzelhandel samt vorgelagerter Stufen wie Industrie und Landwirtschaft in Österreich gearbeitet und dabei keine "Gierflation" feststellen können. Das bedeutet, die Behörde hat keine Hinweise gefunden, wonach die großen Supermarktketten ihre Preise im Windschatten der allgemeinen Teuerungswelle überdurchschnittlich angehoben hätten. Auch der Handel hätte hohe Kostensteigerungen bei Strom, Gas oder Mieten zu tragen gehabt. Die Handelsspannen seien 2021 bis 2. Halbjahr 2023 "nicht systematisch" angestiegen.

Der Handelsverband fordert nun umgehend eine Entschuldigung der Politik. Man sei Opfer und nicht Täter der Teuerungswelle, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Sehr wohl hat die BWB aber etliche Hinweise auf unfaire Praktiken des Handels gegenüber den Lieferanten gefunden. Daraus soll es nun zu konkreten Verfahren vor dem Kartellgericht kommen, kündigte BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch an. Zunächst müssten die Vorwürfe der betroffenen Lieferanten - etwa Androhung der Auslistung - gerichtsfest gemacht werden.

Teure Lebensmittel: Keine "Gierflation" im Handel festgestellt

BWB-Chefin Harsdorf-Borsch

Befragt wurden zu diesem Themenkomplex 1.500 Lieferanten, sagte die Behörden-Chefin. Immerhin vier von zehn Lieferanten hätten sich massiv beschwert. Harsdorf-Borsch: "Das ist eine überaus hohe Zahl. Wir sehen eine massive Dunkelziffer."

Gegen welche Händler konkret ermittelt wird, wollte Harsdorf-Borsch nicht kommentieren. "Das kann ich zu dem Zeitpunkt nicht beantworten."

Statement von Natalie Harsdorf-Borsch, Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde

Handlungsbedarf besteht auch in Sachen Preistransparenz, sagte sie und fordert bessere Daten des Handels für die verschiedenen Preisvergleichsplattformen im Internet. Auch Konsumenten würden dies fordern. Nicht zuletzt bestätigte Harsdorf-Borsch den Österreich-Zuschlag von 13 Prozent gegenüber Preisen in Deutschland. Das sei aber Sache der EU-Kommission und Thema des Binnenmarktes.

Die von der BWB und Minister Kocher angekündigte Preisvergleichsplattform für Lebensmittel sei ein erster Schritt, aber bei weitem nicht ausreichend. „Wir brauchen eine umfassende Preistransparenzdatenbank entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie eine unabhängige Anti-Teuerungskommission, die diese Daten regelmäßig auswertet und kontrolliert", verlangt AK-Präsidentin Renate Anderl. 

Für SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter "zahlt Bevölkerung für Untätigkeit der Regierung gegen hohe Energiepreise an der Supermarktkasse". Denn die Handelsunternehmen hätten ihre gestiegenen Kosten ganz einfach an die Konsumenten weitergereicht. Matznetter: "Die Regierung lässt seit zwei Jahren die Teuerung durch die gesamte Wirtschaft rauschen – und die Bevölkerung zahlen."

Die Bundeswettbewerbsbehörde hat im Oktober 2022 aufgrund der stark gestiegenen Lebensmittelpreise eine umfassende Branchenuntersuchung in der Lebensmittelbranche gestartet. Dafür wurden innerhalb eines Jahres in zehn Runden rund 700 Handelsunternehmen sowie über 1.500 Lieferanten befragt und Daten des Marktforschers GfK analysiert. Weiters hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) tägliche Preisdaten, die aus einer Auswahl von Online-Shops des österreichischen Lebensmittelhandels aufgenommen wurden, für die Wettbewerbshüter analysiert. Zusätzlich wurde eine Konsumentenbefragung mit rund 1.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt. Die BWB-Analyse konzentrierte sich dabei auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

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