GoStudent: Was das Start-up mit 590 Millionen Euro gemacht hat

GoStudent: Was das Start-up mit 590 Millionen Euro gemacht hat
Gründer Felix Ohswald zur aktuellen Lage des Unternehmens nach Konsolidierung und Jobabbau, Lehrermangel als Umsatztreiber und die Zukunft des hybriden Lernens.

Das Wiener Nachhilfe-Start-up GoStudent hat turbulente Zeiten hinter sich. Auf ein von Investoren angetriebenes Turbowachstum folgte der Einbruch samt Jobabbau und Rückzug aus Übersee. Gründer und Vorstandschef   Felix Ohswald erläutert im KURIER-Interview, wie es seinem Unternehmen derzeit geht, was mit den Investorengeldern geschah und warum der aktuelle Lehrermangel das Geschäft mit der Nachhilfe ankurbelt.

KURIER: GoStudent hat nach einem Turbowachstum schwierige Zeiten hinter sich und steckt mitten in der Konsolidierung. Wie geht es dem Unternehmen?

Felix Ohswald: Wir agieren kostenbewusster und konservativer, konzentrieren uns voll auf das Kerngeschäft. Erst wenn der Markt wieder anzieht und die Zinsen runtergehen, schauen wir uns neue Märkte oder Übernahmemöglichkeiten an.

Sie haben sich aus Übersee zurückgezogen und die Belegschaft auf 1.000 halbiert. Ist der Jobabbau jetzt abgeschlossen?

Ja. Wir fokussieren uns jetzt auf Europa und werden hier auch weiter investieren. Die Devise lautet: Raus aus der Wachstumsphase, hin zu mehr Profitabilität.

Als Start-up haben Sie in den letzten Jahren 590 Millionen Euro an Investorengelder eingesammelt. Wohin sind die geflossen?

Zum einen haben neue Geldgeber damit Anteile von anderen abgekauft. Zum anderen ist Geld in die Firma geflossen, also klassisches Eigenkapital, mit dem wir vier Übernahmen getätigt haben -  u.a. Schoolfox oder Lernquadrat in Österreich, Anm. Und dann haben noch in den Aufbau der Firma investiert.

Ist noch Geld übrig?

Wie viel Cash wir aktuell haben, kommunizieren wir nicht, aber wir sind sehr gut kapitalisiert und voll finanziert. Wir brauchen kein Geld, um die Firma zu erhalten und weiter zu wachsen.

GoStudent: Was das Start-up mit 590 Millionen Euro gemacht hat

Ist GoStudent immer noch ein Einhorn (Firmenwert mehr als eine Mrd. Dollar, Anm.)?

Ja, als Firma können wir die Milliardenbewertung auf alle Fälle halten.

Alle stöhnen unter der Inflation derzeit. Wird auch bei der Bildung gespart?

Ja, auch wir merken eine Zurückhaltung wegen der allgemeinen Teuerung.

Wie entwickelt sich der Nachhilfemarkt?

Global gesehen werden jährlich 250 Milliarden Euro für Nachhilfe ausgegeben, wovon die Hälfte auf Europa fällt. Was den Markt besonders macht: Es gibt mit Ausnahme von uns kaum globale Player, die  viel Geld in Technologie oder Lehrerausbildung investieren können. Und die Nachfrage wird weiter steigen, allein schon aufgrund des Lehrermangels.

GoStudent: Was das Start-up mit 590 Millionen Euro gemacht hat

Der Lehrermangel treibt Ihr Geschäft?

Definitiv. In Europa werden bis 2025 rund eine Million Lehrer in den Schulen fehlen. Dazu kommt das immer höhere Durchschnittsalter, das heute schon bei 50 liegt. Das führt dazu, dass die Schüler immer weniger gut betreut werden können und daher Zusatzangebote gesucht werden.

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Also mehr privat, weniger Staat im Schulbereich?

Der Unterschied zwischen den privaten und den öffentlichen Schulbereich wird größer werden. Privatschulen, die international ausgerichtet sind, haben mehr Flexibilität, den Unterricht zu gestalten und Kurse anzubieten als es öffentliche Schulen haben. Der Wettbewerb bei den Lehrinhalten steigt. Daher gibt es einen Markt, wofür Eltern bereit sind, Geld auszugeben. Durch die Übernahme von Studienkreis und Lernquadrat sind wir mit mehr als 1000 Standorten auch im stationären Bereich tätig.

Ganz ohne Präsenzunterricht geht es also nicht?

Die Schule der Zukunft ist hybrid. Wir kombinieren daher den Online- und den Offline-Bereich und integrieren die gekauften Firmen. Das wird eine große Herausforderung, aber es war der richtige Schritt. Wenn es ums Lernen per se geht, habe ich online viel mehr Optionen zur Verfügung als offline. Ich habe Zugriffe auf Lehrer aus aller Welt. Aber der Präsenzunterricht ist genauso wichtig, allein wegen des Erlernens der sozialen Kompetenz.

Wird es GoStudent als Privatschule mit eigenem Lehrpersonal geben?

Ja, warum nicht einmal einen GoStudent-Campus? Mit einem lokalen Standort samt Lehrkräften als sozialen Lernort und einer angeschlossenen digitalen Wissensvermittlung. Das find ich sehr spannend.

GoStudent: Was das Start-up mit 590 Millionen Euro gemacht hat

Das Management-Team von GoStudent

Ihre Plattform ist zuletzt wegen fehlender Qualitätskontrolle bei der Auswahl der Lehrkräfte  ins Gerede gekommen. Was sagen Sie dazu?

Wenn ich privat im Bezirk oder über andere Portale Nachhilfelehrer suche, gibt es überhaupt keine Qualitätsanforderungen. Das ist die Realität des Marktes. Wir legen die Latte hoch und man muss ein langes Verfahren unterlaufen, um bei uns tätig zu werden. Wir investieren jährlich 5 bis 6 Mio. Euro für die Lehrerrekrutierung und -weiterbildung. Es werden von uns  nur zwischen 5 und 15 Prozent aller Bewerber genommen.

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Es laufen auch Verfahren bezüglich gesetzeswidriger Klauseln zur Vertragsvelängerung. Wurden die Klauseln schon geändert?

Was die AGB anbelangt, ist noch nichts rechtskräftig. Unsere Geschäftsbedingungen wurden aber bereits angepasst und die Probleme behoben. Da halten wir uns an alle Spielregeln, wir wollen ja, dass die Endkunden zufrieden sind. Die Anzahl der Beschwerden sind stark zurückgegangen.

Sie wollen vermehrt auch Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

KI kann heute schon Wissen vermitteln, etwa durch ein vollständig automatisiert erstelltes Lernvideo  samt Texten und  Animationen mit einem Lieblingsstar als Vortragenden. So kann mir etwa George Clooney am Bildschirm den Satz des Pythagoras beibringen. Zu einem Bruchteil der Kosten eines üblichen Lernvideos. Das ist ein höchst spannender Bereich, denn die Wissensvermittlung per se macht ja auch den Lehrern nicht immer so viel Spaß. Der Lehrer wird dadurch nicht ersetzt, aber kann sich auf bestimmte Aufgaben konzentrieren.

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