GameStop-Hype: Verluste von 70 Mrd. für US-Shortseller

GameStop-Hype: Verluste von 70 Mrd. für US-Shortseller
Der Online-Broker Trade Republic ist wegen des Gamestop-Hypes überlastet. Gerüchte um Finanzdienstleistungsunternehmen Citadel und Online-Trader Robinhood.

Short-Seller an der Wall Street haben dem Datenanbieter Ortex Analytics zufolge wegen der GameStop-Turbulenzen Verluste in Höhe von mehr als 70 Mrd. Dollar (5,76 Mrd. Euro) zu verschmerzen. In den vergangenen Wochen hatten Kleinanleger mit dem gezielten Kauf von Aktien des US-Videospielehändlers GameStop und anderen Aktien Hedgefonds gezwungen, ihre Wetten auf den Verfall dieser Papiere aufzulösen.

Allein bei den Wetten gegen GameStop sind Ortex zufolge bisher Verluste in Höhe von 1,03 Mrd. Dollar entstanden. Der Berliner Online-Broker Trade Republic ist wegen des Börsen-Hypes um Gamestop an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. Kunden hätten die App am Donnerstag wegen einer "außerordentlichen Überlastung" der angebundenen Handelsplätze nicht in vollem Umfang nutzen können, teilte Trade Republic mit. Hintergrund sei das extrem hohe Handelsaufkommen in normalerweise illiquiden Aktien wie der des US-Videospielehändlers Gamestop und anderer Firmen wie AMC Entertainment, BlackBerry, Nokia oder Bed Bath & Beyond.

Die massive Nachfrage nach solchen Titeln habe beim Handelsplatzpartner LS Exchange vereinzelt zu technischen Problemen geführt, erklärte eine Sprecherin von Trade Republic. Daraufhin sei man zum Handelsplatz Tradegate gewechselt, der nun ebenfalls aufgrund des außergewöhnlich hohen Handelsvolumens mit technischen Problemen kämpfe. Der Handel mit Derivaten sei nicht betroffen.

Auf der Nachrichtenplattform Twitter wird indes heftig das Gerücht diskutiert, dass der Finanzdienstleister Citadel erneut auf fallende Kurse gesetzt hat, bevor Online-Broker Robinhood den Handel mit GameStop-Aktien gestoppt hat. Ein Unternehmen der Citadel-Gruppe wickelt, vereinfacht gesagt, technisch die Transaktionen der App Robinhood ab – und verdient dabei mit.

Robinhood kündigte am Donnerstag nach Börsenschluss an, dass der zeitweise ausgesetzte Handel mit den Wertpapieren am Freitag wieder möglich sein wird. 

Tesla-Chef Elon Musk hat am Donnerstag ebenfalls auf Twitter die Möglichkeit des Shortens an sich kritisiert. "Du kannst keine Häuser kaufen, die du nicht besitzt. Du kannst keine Autos kaufen, die du nicht besitzt. Aber du kannst Aktien kaufen die du nicht besitzt", so Musk in dem Tweet. "Shorting is a scam", also Betrug, so Musk.

Die Hintergründe zum Hype

Niedrige Handelsgebühren, Absprachen in Online-Foren und Youtube-Tutorials haben in der Pandemie einen Börsenboom ausgelöst, bei dem eine neue Generation von Kleinanlegern Aktien angeschlagener Firmen in ungeahnte Höhen katapultiert. Dieses Phänomen war in der Vergangenheit bereits bei Unternehmen wie dem Autovermieter Hertz zu beobachten, doch erst durch das Extrembeispiel Gamestop erhält es nun die ganz große Aufmerksamkeit. Die seit Tagen schon massiv schwankenden Gamestop-Papiere verloren zum Handelsstart am Donnerstag 25 Prozent, nachdem sie am Mittwoch um 135 Prozent zugelegt hatten.

Der Computerspielhändler ist nicht das einzige Unternehmen, um das derzeit in extremer Weise an der Börse gezockt wird. Die Aktien der weltgrößten Kinokette AMC etwa, die kürzlich noch als Pleitekandidat galt, eröffneten 30 Prozent schwächer. Sie hatten am Vortag allerdings um mehr als 300 Prozent zugelegt. Als wichtiger Grund für die Gegenbewegung am Donnerstag gilt, dass einige Handelsplattformen wie die bei Kleinanlegern beliebte Robinhood-App die Firmen wegen der Kurskapriolen vorübergehend ausschlossen. Dies betraf auch andere Unternehmen wie den Kopfhörerhersteller Koss oder den strauchelnden Smartphone-Pionier Blackberry, die ebenfalls mit starken Kursschwankungen in den Spekulationsstrudel gerieten.

Auch der Kurs des finnischen Telekom-Ausrüsters Nokia sprang wild Hin und Her. Die wie GameStop seit einigen Tagen ins Visier von Spekulanten geratenen Papiere fallen um 14 Prozent, nachdem sie zuvor 8,5 Prozent zugelegt hatten. Ein Händler erklärte den Kursrückgang mit den vom Online-Broker Robinhood auferlegten Handelsbeschränkungen für einige der in Internetforen gehypten Aktien. Die in den USA gelisteten Nokia-Titel liegen knapp 30 Prozent im Minus.

Chat-Plattformen als Kommunikationstool

Besonders am Rummel um Gamestop lässt sich gut erkennen, welche Dimension der Hype angenommen hat. Aus Sorge vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren die Aktien des Unternehmens noch 2020 bei einem Rekordtief von 2,57 Dollar zu haben gewesen. Doch seit Mitte Jänner kannten die Papiere trotz teils starker Schwankungen bis zuletzt eigentlich nur noch eine Richtung - steil nach oben. Als maßgeblicher Faktor hinter der Kursrally gilt ein relativ neues Phänomen am US-Aktienmarkt, bei dem sich massenhaft Kleinanleger in Foren etwa auf den Chat-Plattformen Reddit oder Discord im Stil von Flashmobs zusammentun, um gezielt bestimmte Aktien zu kaufen.

Dank eines nicht zuletzt von der Wertpapierhandels-App Robinhood ausgelösten Preiskriegs zwischen Online-Brokern, der die Gebühren massiv hat sinken lassen, hat sich der Aktienhandel in den USA gerade bei vielen Jüngeren während der Coronakrise zu einer Art Volkssport entwickelt. Hinzu kommt, dass auch riskantere Transaktionen etwa mit Optionen, bei denen beispielsweise nur Bruchteile des Werts eines Anteilsscheins gehandelt werden, inzwischen viel stärker der breiten Bevölkerung und nicht mehr nur Finanzprofis zugänglich sind.

So gehört etwa Gamestop zu den Aktien, die jüngst stark auf der Online-Plattform Reddit diskutiert wurden. Ein Hobby der Community ist es zudem, durch konzertierte Aktionen professionelle Investoren aus dem Markt zu drängen, die auf fallende Kurse spekuliert haben. Bei Gamestop kam es zuletzt zu einem regelrechten Kräftemessen mit Hedgefonds, bei dem sich die Kleinanleger zumindest vorerst durchsetzen konnten. Ganz neu ist das Phänomen indes nicht. Bereits seit Jahren gibt es Social-Trading-Plattformen, auf denen sich Nutzer austauschen, um gemeinsam Kaufideen zu entwickeln.

Wall Street Journal: "Krieg"

Die Kursturbulenzen sorgten in der Finanzwelt zur Wochenmitte für große Aufregung, das "Wall Street Journal" schrieb gar von einem "Krieg", der zwischen Hedgefonds und Amateurhändlern ausgebrochen sei. Viele Online-Broker hatten angesichts des regen Betriebs am Markt technische Probleme. Forderungen nach einem Handelsstopp wurden laut, um die Lage zu beruhigen. Die Börsenaufsicht SEC teilte mit, die Situation genau im Blick zu haben und kündigte eine Untersuchung an. Eine Sprecherin des Weißen Hauses erklärte beim Presse-Briefing, dass auch ein Team des Finanzministeriums die Lage beobachte.

Zuletzt soll auch der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sehr präsente Tesla-Chef Elon Musk mit einem Tweet zu Gamestop und einem Link zu den Reddit-Nutzern die jüngste Rally angefacht haben. Analysten warnen indes, dass der massive Kursanstieg nichts mit der Realität zu tun habe. Experte Jens Rabe etwa meint, der Höhenflug der Gamestop-Aktien schade dem Ansehen der Börse, da der Vorgang als "Zockerei" wahrgenommen werde. Er fordert ein Durchgreifen der Aufsichtsbehörden, da Aktien kleiner Firmen als Spielball missbraucht werden könnten.

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