Familien-Härtefonds: Selbstständige kritisieren Ungereimtheiten

Rasche Hilfe für Familien? Manche Selbstständige warten seit Monaten darauf (Sujetbild)
Wochenlanges, banges Warten, dann endlich kam die „rasche und unbürokratische“ Hilfe vom Staat: Der Vorarlberger Fotograf Oliver Lerch, Vater von drei Kindern, freute sich zunächst über die dringend benötigte Unterstützung aus dem Corona-Familien-Härtefonds des Arbeitsministeriums. Dann bemerkte er, dass er nur zwei Drittel der von ihm selbst auf Basis der Richtlinien errechneten Summe erhalten hatte. Statt der für 86 Prozent Umsatzeinbruch berechneten 3.050 Euro für drei Monate waren nur 2.040 Euro überwiesen worden.
Kein Einzelfall, wie sich rasch herausstellte. Lerch hat über die Facebook-Gruppe „EPU Österreich. Gemeinsam durch die Corona-Krise“ inzwischen 25 Fälle von Ein-Personen-Unternehmen (EPU) gesammelt, die pauschal so eingestuft worden sind, als hätten sie nur zwei Monate Verdienstausfall. Will sich die Regierung hier vielleicht Geld auf Kosten der Selbstständigen sparen? Tatsächlich war der Ansturm auf den ursprünglich nur für Arbeitnehmer vorgesehenen Familien-Härtefonds größer als gedacht. Das Budget von 30 Mio. Euro musste inzwischen verdoppelt werden.
Pauschalierung
Im Ministerium weist man auf KURIER-Anfrage darauf hin, dass anders als bei Arbeitnehmern der tatsächliche Einkommensverlust bei Selbstständigen erst viel später – im Nachhinein auf Grund des Einkommensteuerbescheides – berechnet werden könne. Da man aber „möglichst zeitnah“ auszahlen möchte, werde bei Selbstständigen, bei denen der konkrete Einkommensverlust noch nicht feststeht, abhängig von der Familienkonstellation eine pauschale Berechnung angewandt. Lerch kommt das komisch vor. Laut Richtlinie werden für die Berechnung nämlich insgesamt drei Parameter herangezogen: Die Familienkonstellation (Familienfaktor, siehe Infobox), die Einkommensobergrenze und der tatsächliche Einkommensverlust durch die Corona-Krise.
Wenn jetzt auf Verdacht grundsätzlich nur die Summe über den Familienfaktor herangezogen wird und lediglich zwei der drei möglichen Monate ausbezahlt werden, „könnte ja jeder Selbstständige böse gesagt auch ein Foto seiner Katze und die letzte Tankrechnung einreichen“, sagt Lerch.
Doch nicht einmal die Pauschalierung scheint zu funktionieren. Denn Lerch kennt EPU, die sehr wohl drei Monate Verdienstausfall ersetzt bekommen haben.
Die Höhe der Zuwendung aus dem Corona-Familienhärtefonds hängt von der Anzahl der Personen im gemeinsamen Haushalt und dem Alter der Kinder ab. Als Basis wird ein Familienfaktor errechnet:
Faktor 1 für den Antragsteller, Faktor 0,6 für den zweiten Elternteil, Faktor 0,4 für alle Kinder unter 10, Faktor 0,6 für alle Kinder zwischen 10 und 15, Faktor 0,8 für Kinder über 15. Dieser Familienfaktor wird mit 300 multipliziert und ergibt die Zuwendung pro Monat pro Familie. Die Obergrenze liegt bei 1.200 Euro pro Monat, also max. 3.600 für 3 Monate
Monatelanges Warten
Die Ungereimtheiten bei der Berechnung sind nicht der einzige Kritikpunkt. Nicht nur EPU geben an, schon seit April auf die Auszahlung zu warten, andere zumindest seit einigen Wochen.
Was dauert da so lange? „Rund 40 Prozent der eingereichten Unterlagen waren unvollständig“, begründet Ministeriums-Sprecherin Caroline Göschl, daher werde schriftlich eine Nachreichung der Unterlagen verlangt. Daraus resultiere eine längere Bearbeitungsdauer. Es dürfte aber auch personelle Engpässe geben. Lerch berichtet von „stümperhaften, an Phishing-eMails erinnernde Kommunikation mit den Antragsstellern“. Seit Mitte Juli müssen Ferialpraktikanten bei der Abwicklung aushelfen. Diese wurden über das AMS gesucht, was die SPÖ zu einer eigenen Aussendung veranlasste.
Laut aktuellen Daten des Ministeriums wurden von 76.683 Anträgen an den Familien-Härtefonds bisher erst 35.527 Anträge erledigt. Bei 29.301 müsse noch einmal nachgefasst werden, 11.855 Ansuchen wurden abgelehnt, etwa weil keine Einkommensverluste vorlagen. Bisher wurden 35 Millionen Euro ausbezahlt.
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