Experte warnt: Autoindustrie steuert auf Mega-Chipkrise zu

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Die aktuellen Engpässe sind erst der Auftakt. Deutschen Autobauern könnten 2026 wichtige Bauteile ausgehen. Die Gründe sind zum Großteil hausgemacht.

Der Schock rund um das Chaos beim niederländisch-chinesischen Chip-Konzern Nexperia sitzt den europäischen Autobauern noch tief im Nacken. Auch wenn in der Vorwoche die niederländische Regierung im geopolitischen Streit mit China einlenkte und sich eine vorübergehende Entspannung in der Lieferkette abzeichnet, ausgestanden ist die Chip-Krise noch lange nicht. Ganz im Gegenteil.

Eine Analyse der PwC-Strategieberatung Strategy& geht davon aus, dass ab 2026 die nächste Halbleiterkrise droht. Der Grund: Der Bedarf an Automotive-Chips steigt deutlich schneller als die weltweite Autoproduktion – ein strukturelles Risiko, das immer größer wird.

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So wächst der globale Automarkt bis 2030 voraussichtlich um 5,6 Prozent. Der Halbleitermarkt für Fahrzeuge legt im selben Zeitraum aber fast doppelt so stark zu: um 10 Prozent auf 140 Milliarden Dollar. Dafür verantwortlich ist die zunehmende Digitalisierung der Fahrzeuge. Premiumautos benötigen heute bereits rund 3.000 Chips. Gleichzeitig konkurriert die Autoindustrie mit Technologie-Konzernen um knappe Fertigungskapazitäten bei Halbleitern.

Wie teuer ein weiterer Chipengpass werden kann, zeigte die Krise von 2021 bis 2023: Sie kostete die deutsche Autoindustrie mehr als 100 Milliarden Euro – rund 2,4 Prozent des deutschen BIP. Dazu kämen laut Strategy& versteckte Kosten durch improvisierte Zwischenlösungen. Dieses Szenario könnte sich wiederholen, wenn die Branche nicht entschlossen gegensteuert, heißt es in dem Bericht.

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Tanjeff Schadt, Partner bei Strategy& Deutschland

Fehlende Risikovorsorge

In 15 Prozent der untersuchten Premiumfahrzeuge fanden die Analysten Chips, die bereits zum Produktionsstart technisch überholt oder bald obsolet waren. Gleichzeitig halten Hersteller aus Liquiditätsgründen ihre Lager knapp – ein Risiko bei plötzlich steigender Nachfrage. Noch kritischer ist die Abhängigkeit von globalen Lieferketten: 60 Prozent der in europäischen Premiumfahrzeugen verbauten Halbleiter kommen aus dem Ausland. 

Geopolitische Spannungen, vor allem in China und Taiwan, bergen erhebliche Risiken. Auch bei Rohstoffen ist die Konzentration hoch: 80 Prozent des für die Chipproduktion nötigen ultra-reinen Quarzes stammen aus den USA, 90 Prozent des Galliums aus China.

Tanjeff Schadt, Partner bei Strategy& Deutschland, sieht die Branche gefordert: „Die Autoindustrie ist noch aus den 1990er-Jahren auf Optimierung und Kostenersparnis getrimmt, dabei ist der sichere Zugang zu Halbleitern längst zur strategischen Überlebensfrage für deutsche Hersteller und Zulieferer geworden.“ Schadt schlägt vor, die Halbleiterrisiken systematisch zu managen, etwa mit Frühwarnsystemen, diversifizierten Lieferketten und permanenten Krisenteams.

Noch besser sei es, schon beim Fahrzeugdesign auf flexible, austauschbare Elektronik zu setzen. Nach Serienstart seien Änderungen teuer und langsam.

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