Europa kämpft gegen Abhängigkeit von Wirtschaftsmacht China

Europa kämpft gegen Abhängigkeit von Wirtschaftsmacht China
Chinas Anteil an der Weltwirtschaft wächst und wächst. Europa braucht dringend gute Ideen

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein chinesisches Unternehmen in den europäischen Markt einsteigt oder ein europäisches Unternehmen übernimmt. So gab gestern der zweitgrößte chinesische Onlinehändler JD.com bekannt, in Europa zu expandieren und Produkte hier an Endkunden verkaufen zu wollen. Bis Ende des Jahres soll die Strategie zur Erschließung des Marktes stehen. Noch 2018 will der Alibaba-Konkurrent ein Büro in Deutschland eröffnen. Auch der Aufbau von Logistikzentren in Frankreich und Deutschland wurde angekündigt, für Übernahmen zeigt sich das Unternehmen offen.

Die wachsende Wirtschaftskraft Chinas und die steigende Präsenz chinesischer Unternehmen lösen immer öfter Angst vor einer Übermacht der Asiaten aus. Doch wie sehr muss sich Europa wirklich davor fürchten, von China nicht nur überflügelt zu werden, sondern wirtschaftlich in dessen Abhängigkeit zu kommen?

Nicht minderwertig

Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine, gibt sich kämpferisch: „In China hat es in vielen Bereichen eine rasche und positive Entwicklung gegeben.“ Es sei aber noch lange nicht ausgemacht, dass China die globale Führung des Wirtschaftsgeschehens übernehmen werde.

China sei in einigen Branchen stark und habe einen großen Heimmarkt. Europa müsse mit besseren Produkten, Ideen und Konzepten sowie qualifizierteren Mitarbeitern dagegenhalten. „Europa muss sich durch sophistischere Technologien und schnellere Produktentwicklungen von China distanzieren“, meint Eder.

Es ärgere ihn, dass Europa offenbar unter Minderwertigkeitskomplexen leide, in vielen Bereichen sei der Kontinent führend. „Darauf sollte man bauen, statt zu lamentieren.“ Im Übrigen gebe es nicht nur Konkurrenz aus China, sondern auch aus Russland, der Ukraine und der Türkei – wenn auch nicht mit derselben Dynamik.

„Ich habe keine Angst, aber Respekt vor China“, sagt F. Peter Mitterbauer, Chef des Technologiekonzerns Miba. Man müsse sich der Realität stellen: 1980 sei der Anteil Europas an der Weltwirtschaft bei 30 Prozent gelegen, jener Chinas bei zwei Prozent. Heute sei das Verhältnis 15 zu 18 Prozent. 2050 werde China bereits einen Anteil von mehr als 50 Prozent haben. Europa müsse mit einer gemeinsamen starken Stimme auftreten. China habe kein Interesse, seine Kultur in die Welt zu tragen oder anderweitig zu expandieren, auch habe das Land intern noch große Herausforderungen zu meistern. „Man darf nicht naiv sein, aber Angst ist nicht angebracht“, meint Mitterbauer. Miba sehe das Wachstum als Chance, durch die wachsende Mittelschicht gebe es eine hohe Nachfrage nach Komponenten für Autos und Verkehr generell.

Harter Drill

Was in China derzeit geschehe, veranschaulichen die Aktivitäten auf Hochschulebene, meint Jürgen Brandes, Vorstand der Division Process Industries and Drives der Siemens AG. Dort wurden in kürzester Zeit 2000 Professorenstellen allein für den Bereich künstliche Intelligenz geschaffen, die Studenten würden geradezu „gedrillt“.

„Es besteht die Gefahr, dass wir zurückfallen, wenn wir es nicht smarter machen“, sagt Brandes. Chinesen seien sehr fleißig, Europa zeichne Kreativität aus, mit der der alte Kontinent dagegenhalten könne. Die Politik müsse ein kreatives Umfeld schaffen, und nicht nur einfach Budget zur Verfügung stellen.

Das Bruttoinlandsprodukt Chinas steigt seit Anfang der 2000er-Jahre stark. Heuer soll es auf 10,7 Billionen Euro steigen und damit jenes der Eurozone (10,3 Billionen Euro) übertreffen.

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