Neues Insolvenzrecht: Gläubiger könnten durch die Finger schauen

Für heftige Debatten unter Insolvenzexperten sorgt derzeit die von der EU geplante Harmonisierung des Insolvenzrechts. Ziel der Richtlinie ist eine EU-weite Harmonisierung. Kurze, einfache Verfahren sollen für eine dynamische Wirtschaft und einen freien Kapitalverkehr sorgen. Vorbild dafür sind die USA, wo Scheitern als Chance gilt.
Der vorliegende, 74-seitige EU-Richtlinien-Entwurf lässt vor allem bei Gläubigerschützern jetzt die Alarmglocken schrillen. Sie sprechen von einem Paradigmenwechsel weg vom Gläubiger- hin zum verstärkten Schuldnerschutz. Befürchtet wird ein hohes Missbrauchspotenzial sowie eine nachhaltige Verschlechterung des österreichischen Insolvenzrechts. Dieses gilt im EU-Vergleich als eines der strengsten, aber auch effizientesten.
➤ Mehr dazu: Bittere Pleite eines bekannten Nobel-Restaurants mit drei Hauben
Vor allem folgende vier Punkte werden kritisiert:
1. Eigenregie statt Insolvenzverwalter
Für Kleinstbetriebe wird ein vereinfachtes Verfahren eingeführt, das ohne Insolvenzverwalter auskommt. Die Betriebe können Konkurse damit in Eigenverwaltung abwickeln, also die Schuldenhöhe selbst bekannt geben und Assets verwerten. Wollen Gläubiger einen Insolvenzverwalter, weil sie etwa Pflichtverletzungen vermuten oder Ansprüche geltend machen wollen, müssen sie diesen selbst beantragen und die Kosten übernehmen.
2. Definition Kleinstbetrieb viel zu weit gefasst
Die Regelung betrifft alle Firmen mit bis zu 10 Mitarbeitern und einem Umsatz bis 2 Mio. Euro. Viel zu weit gefasst, sagen Experten. „Für Österreich würde das bedeuten, dass rund 90 Prozent der Insolvenzverfahren als Sonderverfahren für Kleinstunternehmen abzuwickeln wären“, heißt es in einer Stellungnahme des Gläubigerschutzverbandes KSV1870.
3. Zahlungsunfähigkeit ist ungenau definiert
Zentraler Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. Wann genau diese eintritt, ist aber in den EU-Ländern unterschiedlich geregelt. Kleinstbetriebe seien oft gar nicht in der Lage, diese festzustellen, weshalb in Österreich häufig Sachverständige damit beauftragt werden.
4. Gläubigerinteressen werden ausgehöhlt
Durch die Richtlinie sollen weiters anfechtungsrelevante Sachverhalte durch Mindeststandards vereinheitlicht und die Anfechtbarkeit generell eingeschränkt werden. Das gehe zulasten der Gläubigerinteressen, auch Ansprüche von Arbeitnehmern könnten betroffen sein.
➤ Mehr dazu: Gastro, Handel und Bau droht eine Pleitewelle
„Einzelne Punkte orientieren sich nicht nach dem Maßstab des Gläubigerschutzes, der in Österreich einen hohen Stellenwert einnimmt“, fasst etwa Thomas Bravo vom Bundesverband Credit Management Österreich (BvCM) zusammen. Der vorliegende Entwurf sei oberflächlich, lückenhaft und inkonsistent. Der Verband appelliert an das zuständige Justizministerium, den Richtlinienentwurf nicht zu unterstützen. Auch aus anderen EU-Ländern wie Italien kommt Ablehnung.
Kommentare